Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
männliche Prostituierte gekauft, als sich selbst verkauft hat«, sagte er.
    Paola nahm ihr Glas, schwenkte die Flüssigkeit ein paarmal und trank aus. »Tja, das wäre dann wohl eine erheblich längere Liste. Und wenn ich bedenke, was du mir eben über den avvocato del patriarca erzählt hast, auch eine erheblich interessantere.«
    »Ist das eine von deinen Konspirationstheorien, Paola, daß die Stadt voll ist von scheinbar glücklich verheirateten Männern, die es nicht erwarten können, mit einem dieser Transvestiten in den Büschen zu verschwinden?«
    »Himmel noch mal, Guido, worüber redet ihr Männer eigentlich, wenn ihr euch trefft? Über Fußball? Politik? Hockt ihr nie zusammen und klatscht?«
    »Worüber denn? Über die Jungs von der Via Cappuccina?« Er stellte sein Glas unnötig hart ab und kratzte sich am Knöchel, wo ihn gerade eine der ersten Mücken des Abends gestochen hatte.
    »Das kommt wahrscheinlich daher, daß du keine schwulen Freunde hast«, sagte sie ruhig.
    »Wir haben jede Menge schwuler Freunde«, entgegnete er, wobei ihm bewußt war, daß er nur in einer Auseinandersetzung mit Paola auf die Idee kam, sich damit zu brüsten.
    »Sicher haben wir die, aber du redest nicht mit ihnen, Guido, nicht richtig.«
    »Was soll ich denn tun, Kochrezepte mit ihnen austauschen oder die Geheimnisse meiner Schönheit preisgeben?«
    Sie wollte etwas sagen, hielt inne, sah ihn durchdringend an und meinte dann mit völlig ausdrucksloser Stimme:
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt eine beleidigende oder eine dumme Bemerkung war.«
    Er kratzte an seinem Knöchel und dachte darüber nach, was sie beide eben gesagt hatten. »Wahrscheinlich eher dumm, aber sie war auch ziemlich beleidigend.«
    Paola warf ihm einen mißtrauischen Blick zu.
    »Tut mir leid«, fügte er hinzu.
    Sie lächelte.
    »Also gut, erzähl mir, was ich darüber wissen sollte«, bat er, während er wieder an seinem Knöchel kratzte.
    »Ich wollte dir klarmachen, daß es unter den Schwulen in meinem Bekanntenkreis einige gibt, die mir versichern, viele Männer seien durchaus scharf auf Sex mit ihnen - Familienväter, verheiratete Männer, Ärzte, Anwälte, Priester. Vieles ist wahrscheinlich übertrieben, und Eitelkeit spielt sicher auch eine Rolle, aber bestimmt ist auch viel Wahres daran.« Er dachte, sie sei fertig, aber sie setzte noch hinzu:
    »Als Polizist hast du wahrscheinlich davon gehört, aber ich könnte mir vorstellen, daß die meisten Männer es einfach nicht hören wollen. Oder wenn sie es hören, wollen sie es nicht glauben.« Sie zählte ihn anscheinend nicht dazu, aber sicher konnte er natürlich nicht sein.
    »Von wem hast du deine Informationen in erster Linie?« fragte er.
    »Von Ettore und Basilio«, antwortete sie und nannte damit zwei ihrer Kollegen von der Universität. »Außerdem sagen ein paar von Raffis Freunden dasselbe.«
    »Was?«
    »Zwei von Raffis Schulfreunden. Schau nicht so erstaunt, Guido. Sie sind beide siebzehn.«
    »Sie sind beide siebzehn, und was noch?«
    »Und schwul, Guido. Schwul.«
    »Sind das enge Freunde?« fragte er, bevor er sich bremsen konnte.
    Paola stand abrupt auf. »Ich gehe Wasser für die Pasta aufsetzen. Ich glaube, wir warten lieber bis nach dem Essen, bevor wir diese Debatte fortsetzen. Dann hast du etwas Zeit, über einige Dinge nachzudenken, die du gesagt hast, und einige Vermutungen, die du offenbar anstellst.« Sie griff sich ihr Glas, nahm ihm seines aus der Hand, ging nach drinnen und überließ ihn seinen Vermutungen.
    Das Abendessen verlief weitaus friedvoller, als er gedacht hatte, angesichts Paolas abrupten Abgangs zu dessen Zubereitung. Sie hatte eine Soße mit frischem Thunfisch, Tomaten und Paprika zubereitet, ganz offensichtlich ein neues Rezept, dazu die dicken Martelli-Spaghetti, die er so mochte. Danach gab es Salat, ein Stück pecorino, das die Eltern von Raffis Freundin aus Sardinien mitgebracht hatten, und zum Nachtisch frische Pfirsiche. Ganz wie in seinem Tagtraum erboten sich die Kinder, den Abwasch zu erledigen, zweifellos in der Hoffnung, daß ihm das Taschengeld für ihren Urlaub in den Bergen dann um so lockerer saß.
    Er zog sich mit einem Gläschen eisgekühlten Wodkas auf die Dachterrasse zurück und setzte sich wieder auf seinen Platz. Über ihm und um ihn durchschnitten Fledermäuse mit ihrem Zickzackflug den Himmel. Brunetti waren die Fledermäuse willkommen, sie fraßen Mücken. Ein paar Minuten später setzte Paola sich zu ihm. Er hielt ihr

Weitere Kostenlose Bücher