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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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uns geschickt, Commissario. Weil sie dachten, daß wir vielleicht wissen, was zu tun ist.«
    »Haben die Kollegen aus Mestre Ihnen gesagt, Sie sollen ein Festnahmeprotokoll schreiben?«
    »Nicht direkt, Commissario«, sagte Alvise nach einer besonders langen Pause. »Sie haben zu Topa gesagt, er soll hierherkommen und über den Vorfall Meldung machen. Das einzige Formular, das ich hier auf dem Tisch liegen sah, war ein Festnahmeprotokoll, und da habe ich gedacht, das muß ich nehmen.«
    »Warum haben Sie ihn nicht bei mir anrufen lassen?«
    »Na, er hatte schon seine Frau angerufen, und ich weiß genau, daß Festgenommene nur ein Telefongespräch führen dürfen.«
    »Im Fernsehen, Alvise, in amerikanischen Fernsehserien«, sagte Brunetti, um Geduld bemüht. »Wo ist Sergente Topa jetzt?«
    »Er ist sich einen Kaffee holen gegangen.«
    »Während Sie das Festnahmeprotokoll schreiben?«
    »Ja, Commissario. Es kam mir nicht richtig vor, ihn dabeizuhaben.«
    »Wenn Sergente Topa zurückkommt, er kommt doch zurück, oder?«
    »Aber ja, Commissario, ich habe ihm gesagt, er soll zurückkommen. Das heißt, ich habe ihn gebeten, und er hat gesagt, er kommt.«
    »Wenn er also zurückkommt, sagen Sie ihm bitte, er soll warten. Ich bin auf dem Weg.« Damit legte Brunetti, der merkte, daß er mit seiner Geduld jetzt am Ende war, den Hörer auf, ohne Alvises Antwort abzuwarten.
    Zwanzig Minuten später kam Brunetti, nachdem er Paola erklärt hatte, er müsse noch einmal in die Questura, um etwas in Ordnung zu bringen, dort an und ging auf direktem Wege in den Wachraum hinauf. Alvise saß an einem Schreibtisch, ihm gegenüber Topa, der noch genauso aussah wie vor einem Jahr, als er die Questura verlassen hatte.
    Der ehemalige Sergente war klein und tonnenförmig. Das Licht der Deckenlampe spiegelte sich auf seinem fast kahlen Kopf. Er hatte seinen Stuhl auf die hinteren Beine gekippt und hielt die Arme über der Brust verschränkt. Er blickte auf, als Brunetti hereinkam, betrachtete ihn kurz mit seinen dunklen, unter buschigen weißen Brauen fast verborgenen Augen und ließ den Stuhl mit einem schweren Plumps nach vorn fallen. Dann erhob er sich und streckte Brunetti die Hand hin, denn da er nicht mehr Sergente war, konnte er einem Commissario als Gleichgestellter die Hand schütteln, woraufhin Brunetti wieder die gleiche Abneigung empfand, die er schon immer gegen diesen Mann empfunden hatte, bei dem es vor Gewalttätigkeit unter der Oberfläche brodelte wie in einer frischen Polenta, die nur darauf wartet, daß jemand sie zu essen versucht und sich den Mund daran verbrennt.
    »Guten Abend, Sergente«, sagte Brunetti, indem er die angebotene Hand ergriff.
    »Commissario«, antwortete der andere, kein Wort mehr.
    Alvise stand auf und blickte von einem zum andern, sagte aber nichts.
    »Vielleicht könnten wir in mein Büro gehen und uns dort unterhalten«, schlug Brunetti vor.
    »Ja«, stimmte Topa zu.
    Brunetti machte Licht, als sie eintraten, zog aber gar nicht erst seinen Mantel aus, womit er deutlich zu machen hoffte, daß er nicht viel Zeit für diese Geschichte übrig hatte. Dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch.
    Topa ließ sich auf einem Stuhl links davon nieder.
    »Also?« fragte Brunetti.
    »Vianello hat mich angerufen und gefragt, ob ich mir diese Pinetta-Bar mal ansehen kann. Ich hatte schon davon gehört, war aber noch nie da gewesen. Was ich gehört hatte, gefiel mir nicht besonders.«
    »Was hatten Sie denn gehört?«
    »Viele Schwarze. Und Slawen. Die sind noch schlimmer, die Slawen.« Brunetti, der beinahe auch diesen Eindruck hatte, sagte nichts.
    Topa, der merkte, daß er nicht gedrängt wurde, seine Geschichte zu erzählen, verzichtete auf weitere Kommentare zu nationalen und rassischen Unterschieden und fuhr fort: »Ich bin also hingegangen und habe ein Glas Wein getrunken. An einem Tisch waren ein paar Männer beim Kartenspielen, da habe ich mich dazugestellt und ihnen über die Schulter geschaut. Keiner schien sich daran zu stören. Ich habe mir dann noch einen Wein bestellt und mich mit einem anderen Mann an der Bar unterhalten. Dann ist einer von den Kartenspielern weggegangen, und ich habe für ein paar Runden seinen Platz eingenommen. Ich hatte etwa zehntausend Lire verloren, als der Mann zurückkam, um weiterzuspielen. Ich bin wieder an den Tresen gegangen und habe mir noch ein Glas Wein bestellt.« Für Brunetti klang das, als hätte Topa einen aufregenderen Abend verbringen können, wenn er

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