Brunetti 04 - Vendetta
Kanarienvögeln abgeguckt worden war. »Guten Morgen, Commissario«, begrüßte sie ihn, als er eintrat, und strahlte wie ihre Blumen.
»Guten Morgen, Signorina. Ich habe eine Aufgabe für Sie beide«, begann er, wobei sein freundliches Nicken andeutete, daß der zweite im Bunde ihr Computer war.
»Das da?« fragte sie mit einem Blick auf die TelecomListen in seiner Hand.
»Ja. Das sind Trevisans Telefongespräche. Endlich«, fügte er hinzu, ohne seinen Ärger darüber zu verhehlen, daß er so viel Zeit mit Warten hatte verplempern müssen, bis er über offizielle Kanäle schließlich an die Informationen kam.
»Oh, Sie hätten mir nur sagen müssen, daß es eilig ist, Commissario.«
»Freund bei der Telecom?« fragte Brunetti, den die Größe des Netzes, über das Signorina Elettra verfügte, inzwischen nicht mehr überraschen konnte.
»Giorgio«, sagte sie und beließ es dabei.
»Glauben Sie, daß Sie...?« fing Brunetti an.
Sie lächelte nur und streckte die Hand aus.
Er gab ihr die Listen. »Ich brauche sie nach der Häufigkeit geordnet, mit der die Nummern angewählt wurden.«
Sie notierte sich das auf einem Block. Dann sah sie lächelnd zu ihm auf, als wäre das alles ein Kinderspiel. »Noch etwas?«
»Ja. Ich wüßte gern, wie viele dieser Anschlüsse öffentlich zugänglich sind, in Bars, Restaurants, auch Telefonzellen.«
Sie lächelte wieder: ebenfalls kein Problem. »Ist das alles?«
»Nein. Außerdem wüßte ich noch gern, welches die Nummer seines Mörders ist.« Wenn er erwartet hatte, daß sie auch dies notierte, wurde er enttäuscht. »Aber an die kommen Sie wohl nicht heran«, meinte er und lächelte dabei, um ihr zu zeigen, daß er Spaß machte.
»Ich fürchte nein, Commissario, aber vielleicht ist sie ja dabei«, versetzte sie, indem sie mit den Blättern wedelte.
Ja, wahrscheinlich, dachte Brunetti, dann fragte er: »Wie lange dauert das?« Wie viele Tage, meinte er.
Signorina Elettra warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, dann auf das letzte Blatt, um zu sehen, wie viele es waren. »Wenn Giorgio heute im Büro ist, müßte ich es eigentlich bis zum Nachmittag haben.«
»Wie?« entfuhr es Brunetti, bevor er noch Zeit hatte, seine Frage in eine etwas verbindlichere Form zu kleiden.
»Ich habe ein Modem ans Telefon des Vice-Questore anschließen lassen«, sagte sie, wobei sie auf ein Metallkästchen zeigte, das neben dem Telefon auf ihrem Schreibtisch stand. Davon führten Kabel zu ihrem Computer. »Giorgio muß die Daten nur aufrufen und die Anrufe nach der Häufigkeit sortieren lassen, dann kann er sie mir direkt auf meinen Drucker geben.« Sie hielt kurz inne. »Sie kämen dann nach Häufigkeit geordnet sowie mit Datum und Uhrzeit. Möchten Sie auch wissen, wie lange jedes Gespräch gedauert hat?« Sie hielt ihren Stift bereit und wartete auf seine Antwort.
»Ja, bitte. Und glauben Sie, daß er auch eine Liste der Gespräche aufstellen kann, die von der Bar in Mestre aus geführt wurden?«
Sie nickte, sagte aber nichts, denn sie war mit Schreiben beschäftigt.
»Alles bis heute nachmittag?« fragte Brunetti.
»Wenn Giorgio da ist, bestimmt.«
Als Brunetti hinausging, griff sie schon zum Telefon, zweifellos um Giorgio anzurufen und zusammen mit ihm und diesem rechteckigen Kästchen an ihrem Computer alle Hindernisse zu überwinden, die man bei der Telecom um die in den Akten befindlichen Informationen herum aufbauen könnte, sowie auch gleich alle Gesetze, in denen geregelt sein mochte, was ohne Gerichtsbeschluß zugänglich war und was nicht.
In seinem Büro angekommen, schrieb Brunetti seinen kurzen Bericht für Patta und ging sogar so weit, seine Pläne für die nächsten Tage zu umreißen. Ersteres war zum großen Teil frustrierend, letzteres setzte sich zu gleichen Teilen aus Erfindung und Optimismus zusammen, aber er glaubte, es würde Patta für ein Weilchen zufriedenstellen. Danach rief er Ubaldo Lotto an und bat um eine Unterredung im Lauf des Nachmittags, was er damit erklärte, daß er Informationen über Trevisans Praxis benötige. Nach anfänglichem Zögern und der Versicherung, er wisse nichts über die Anwaltspraxis, nur über die Finanzgeschäfte, fand Lotto sich widerwillig dazu bereit und bestellte Brunetti für halb sechs in sein Büro.
Dieses Büro war, wie sich herausstellte, im selben Haus und auf demselben Stockwerk wie Trevisans Praxis, nämlich in der Via XXII Marzo über der Banca Commerciale d'Italia, eine Geschäftsadresse, wie man sie sich in
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