Brunetti 04 - Vendetta
Corte schüttelte den Kopf. »Ich rede nicht mehr darüber, aber ich habe einen meiner Leute, dem ich traue, ins Labor geschickt, um zu sehen, ob sonst noch etwas fehlt.«
»Und?«
»Der Betreffende ist sehr umsichtig vorgegangen. Es fehlen sämtliche Aufzeichnungen und Proben von den Autopsien, die an diesem Tag gemacht worden sind.«
»Wie viele waren das denn?«
»Drei.«
»In Padua?« fragte Brunetti, nicht wenig erstaunt.
»Zwei alte Leute sind im Krankenhaus gestorben, nachdem sie verdorbenes Fleisch gegessen hatten. Salmonellen. Auch von ihnen waren alle Aufzeichnungen des Pathologen und die Proben weg.«
Brunetti nickte. »Wer hatte die Möglichkeit dazu?« fragte er den Capitano. »Oder wer hatte ein Interesse daran, die Sachen verschwinden zu lassen?«
»Derselbe, der ihm das Schlafmittel verabreicht hat, würde ich sagen.«
Brunetti nickte wieder.
Der Barmann machte die Runde um die Tische, und Brunetti hob den Kopf von den Händen und gab ihm ein Zeichen, noch zwei Drinks zu bringen, obwohl sein zweiter fast unberührt vor ihm stand.
»Bei dem bißchen, was die im Labor verdienen, kann man für ein paar hunderttausend Lire ziemlich viel Entgegenkommen kaufen«, sagte della Corte.
Zwei Männer betraten die Bar, laut lachend und wie Leute, die unbedingt von Fremden bemerkt werden wollen.
»Gibt's was Neues im Fall Trevisan?« fragte della Corte.
Brunetti schüttelte den Kopf mit dem gewichtigen Ernst, den Betrunkene Trivialitäten widmen.
»Und nun?« frage della Corte.
»Ich denke, einer von uns wird die Ware testen müssen«, sagte Brunetti, als er den Barmann kommen sah. Er blickte auf, lächelte den Mann an und bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, die Drinks auf den Tisch zu stellen, dann winkte er ihn etwas näher heran. »Drinks für die signorine«, sagte er, wobei er unsicher in die Richtung wedelte, wo die beiden Frauen immer noch rechts und links von dem Mann am Tresen standen.
Der Barmann nickte, ging hinter seinen Tresen und goß weißen Schaumwein in zwei Gläser. Brunetti war sicher, daß es übelster, zusammengepanschter Prosecco war, und ebenso sicher, daß auf seiner Rechnung französischer Champagner stehen würde. Der Barmann ging zu dem Mann und den beiden Frauen, beugte sich vor, stellte die Gläser auf den Tresen und sagte etwas zu dem Mann, der daraufhin einen Blick in Brunettis Richtung warf. Dann drehte er sich um und sprach mit der Frau zu seiner Linken, einer kleinen Dunkelhäutigen mit breitem Mund und rötlichem Haar, das ihr über die Schultern wallte. Sie sah den Mann an, dann die Gläser, dann zu dem Tisch, an dem Brunetti saß. Brunetti lächelte ihr zu, erhob sich halb und machte eine plumpe Verbeugung in ihre Richtung.
»Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?« fragte della Corte, wobei er breit grinsend nach seinem Glas griff.
Statt zu antworten, winkte Brunetti den dreien an der Bar zu und stieß mit dem Fuß den freien Stuhl links von sich zurück. Die Rothaarige ließ ihre Freunde stehen, nahm ihr Glas und kam auf Brunettis Tisch zu. Als Brunetti sie kommen sah, lächelte er ihr erneut zu und fragte della Corte leise: »Sind Sie mit dem Auto hier?«
Der Capitano nickte.
»Gut. Wenn sie sich hersetzt, gehen Sie weg. Warten Sie im Auto, und wenn wir herauskommen, folgen Sie uns.«
In dem Moment, als die Frau an ihren Tisch kam, schob della Corte seinen Stuhl zurück und stand auf, wobei er fast mit ihr zusammengestoßen wäre und höchst überrascht tat. Er sah sie kurz an und sagte: »Guten Abend, Signorina. Nehmen Sie doch bitte Platz.« Alles wieder in seinem schönsten Venezianisch und mit einem breiten Lächeln.
Die Frau zog ihren Rock zurecht und setzte sich neben Brunetti. Sie lächelte ihn an, und er sah, daß sie hübsch war unter dem dick aufgetragenen Make-up: gerade Zähne, dunkle Augen und eine fröhliche Stupsnase. »Buona sera«, sagte sie leise, beinah flüsternd. »Danke für den Champagner.«
Della Corte beugte sich über den Tisch und streckte Brunetti die Hand hin. »Ich muß gehen, Guido. Ich rufe dich nächste Woche an.«
Brunetti übersah die ausgestreckte Hand, seine ganze Aufmerksamkeit galt der Frau. Della Corte drehte sich zu den Männern an der Bar um, lächelte, zuckte die Achseln und ging.
»Ti chiami Guido?« fragte die Frau, und das vertrauliche ›du‹ ließ keinen Zweifel daran aufkommen, worum es hier geht »Ja, Guido Bassetti. Und wie heißt du, Süße?«
»Mara«, sagte sie und lachte, als hätte sie
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