Brunetti 04 - Vendetta
etwas Schlaues gesagt. »Was bist du für einer, Guido?« Aus ihren Worten hörte Brunetti zweierlei heraus: irgendeinen fremdländischen Akzent, ganz sicher eine romanische Sprache, wenn er auch nicht genau wußte, ob es Spanisch oder Portugiesisch war; und noch unverkennbarer war die freche Doppeldeutigkeit ihrer Frage.
»Ich bin Rohrleger«, erklärte Brunetti mit übertriebenem Stolz im Ton, wobei er noch mit einer vulgären Geste unterstrich, daß er die Anspielung in ihrer Frage sehr wohl verstanden hatte.
»Ach, wie interessant«, sagte Mara und lachte wieder, aber weiter fiel ihr nichts dazu ein.
Brunetti sah, daß sein zweites Glas noch ziemlich voll und das dritte völlig unangetastet war. Er trank aus dem zweiten, schob es beiseite und nahm das dritte.
»Du bist ein richtig hübsches Mädchen, Mara«, sagte er, ohne auch nur im geringsten zu vertuschen, daß diese Tatsache für das bevorstehende Geschäft bedeutungslos war. Sie schien sich nichts daraus zu machen.
»Ist das dein Freund, da an der Bar?« Brunetti deutete mit dem Kinn zu der Stelle, wo der Mann noch immer stand, wenn die andere Frau auch inzwischen verschwunden war.
»Ja«, antwortete Mara.
»Wohnst du in der Nähe?« fragte Brunetti, ganz der Mann, der keine Zeit verschwenden wollte.
»Ja.«
»Können wir zu dir gehen?«
»Ja.« Sie lächelte wieder, und er sah, wie sie sich bemühte, Wärme und Interesse in ihren Blick zu legen.
Er ließ jetzt allen Charme von sich abfallen. »Wieviel?«
»Hunderttausend«, antwortete sie mit der Bereitwilligkeit einer Frau, die diese Frage schon allzuoft gehört hatte.
Brunetti lachte, trank noch einen kleinen Schluck und stand auf. Dabei stieß er seinen Stuhl so rasch und kräftig zurück, daß er hinter ihm umkippte. »Du spinnst wohl, kleine Mara. Ich habe eine Frau zu Hause. Bei der krieg ich's umsonst.«
Sie zuckte die Achseln und sah auf ihre Uhr. Es war elf, und in den letzten zwanzig Minuten war niemand mehr in die Bar gekommen. Er sah sie förmlich Zeit in Geld umrechnen.
»Fünfzig«, sagte sie schließlich, offenbar um Zeit und Energie zu sparen.
Brunetti stellte sein immer noch nicht leeres Glas auf den Tisch und griff nach ihrem Arm. »Also gut, kleine Mara, dann laß dir mal zeigen, was ein richtiger Mann für dich tun kann.«
Sie erhob sich widerstandlos. Brunetti zog sie am Arm zur Bar hinüber. »Was bin ich schuldig?« fragte er.
Ohne zu zögern, antwortete der Barmann: »Dreiundsechzigtausend.«
»Sind Sie noch zu retten?« fragte Brunetti wütend. »Für drei Whisky? Miserablen Whisky noch dazu?«
»Plus die zwei für Ihren Freund und den Champagner für die Damen«, sagte der Barmann.
»Damen«, wiederholte Brunetti sarkastisch, aber er zückte seine Brieftasche, zählte einen Fünfziger, einen Zehner und drei Eintausendlirescheine ab und warf sie auf den Tresen. Bevor er die Brieftasche wieder wegstecken konnte, griff Mara nach seinem Arm.
»Du kannst das Geld gleich meinem Freund geben«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu dem dünnen Mann an der Bar, der Brunetti anstarrte, ohne eine Miene zu verziehen. Brunetti blickte sich um, das Gesicht hochrot vor Verlegenheit, als suchte er jemanden, der ihm half, die Welt zu verstehen. Es fand sich keiner. Er nahm einen Fünfzigtausendlireschein aus der Brieftasche und warf ihn auf den Tresen, ohne den Mann anzusehen, der das Geld keines Blickes würdigte. Wie um seinen verletzten Stolz wiederherzustellen, griff Brunetti nach dem Arm der Frau und zog sie mit sich zum Ausgang. Sie nahm nur noch rasch ihre Jacke aus imitiertem Leopardenfell vom Haken neben der Tür, dann trat sie mit Brunetti auf die Straße hinaus. Er knallte die Tür heftig hinter ihnen zu.
Draußen wandte Mara sich nach links, ohne auf Brunetti zu warten. Sie machte rasche Schritte, allerdings waren der kurze Rock und die hohen Absätze ihr hinderlich, so daß Brunetti keine Mühe hatte dranzubleiben. An der ersten Ecke bog sie links ab und blieb dann drei Häuser weiter an einer Tür stehen. Den Schlüssel hielt sie schon bereit. Sie schloß auf und ging hinein, ohne sich nach Brunetti umzudrehen, der gerade lange genug stehenblieb, um zu sehen, wie ein Auto in die schmale Straße einbog. Der Fahrer blendete zweimal auf, und Brunetti folgte der Frau ins Haus.
Eine Treppe höher machte sie rechter Hand eine Tür auf, die sie wieder für Brunetti offenließ. Beim Eintreten sah er in dem Zimmer eine niedrige Bettcouch mit grellbunt gestreifter Decke,
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