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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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beschäftigt. An allen Wänden hingen vergrößerte Fotos amerikanischer Filmstars, von denen viele mit Skepsis zu betrachten schienen, was zu beobachten sie vom Schicksal verdammt worden waren.
    Vier Männer und zwei Frauen standen am Tresen. Der erste Mann, klein und vierschrötig, hatte beide Hände schützend um sein Glas gelegt und stierte in die Flüssigkeit. Der zweite, größer und schlanker, stand mit dem Rücken zum Tresen und drehte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen, während er zuerst die Kartenspieler, dann die anderen Glücksritter musterte. Der dritte, ein Kahlkopf, war offensichtlich della Corte. Der vierte, dünn, fast ausgemergelt, stand zwischen den beiden Frauen und wandte nervös den Kopf hin und her, während sie abwechselnd auf ihn einredeten. Er sah auf, als Brunetti hereinkam, und die Frauen, die ihn zur Tür blicken sahen, drehten sich um und musterten den Neuankömmling. Düsterer hätten die drei Parzen nicht dreinschauen können, wenn sie den Lebensfaden eines Menschen abschnitten.
    Brunetti ging zu della Corte, einem dünnen Mann mit zerfurchtem Gesicht und buschigem Schnauzbart, schlug ihm auf die Schulter und sagte in breitestem Veneziano und viel lauter als nötig: »Ciao, Bepe, come stai? Tut mir leid, daß ich zu spät komme, aber meine Alte, diese Hexe... « Den Rest ließ er untergehen, während er mit einer ärgerlichen Handbewegung alle Hexen, alle Ehefrauen zum Teufel jagte. Dann wandte er sich an den Barmann und sagte noch lauter: »Amico mio, gib mir einen Whisky«, und zu della Corte: »Was nimmst du, Bepe? Du trinkst doch noch einen mit?« Als er sich dem Barmann zuwandte, achtete er darauf, nicht nur den Kopf, sondern den ganzen Körper zu drehen, und den auch noch zu weit. Um das Gleichgewicht zu halten, stützte er sich mit einer Hand auf den Tresen und murmelte noch einmal: »Hexe.«
    Als der Whisky kam, nahm er das hohe Glas, kippte den Inhalt mit einem Schluck hinunter, knallte das Glas auf den Tresen und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Ein zweites Glas erschien vor ihm, aber bevor er danach greifen konnte, sah er della Corte die Hand ausstrecken.
    »Cin, Cin, Guido«, sagte della Corte und hob das Glas mit einer Geste, die auf alte Freundschaft schließen ließ. »Schön, daß du dich losmachen konntest.« Er trank einen kleinen Schluck und noch einen. »Kommst du am Wochenende mit uns auf die Jagd?«
    Brunetti und della Corte hatten für dieses Treffen kein Drehbuch geschrieben, aber ein Thema war für zwei angetrunkene Männer mittleren Alters, die sich in einer billigen Bar in Mestre trafen, so gut wie das andere. Brunetti sagte, er wolle ja gern mitkommen, aber seine Frau, diese Hexe, bestehe darauf, daß er zu Hause bleibe, weil es ihr Hochzeitstag sei und sie zum Essen ausgeführt werden wolle. Wozu hätten sie eigentlich einen Herd, wenn sie ihn nicht benutzte, um ihm sein Essen darauf zu kochen? Nachdem das ein paar Minuten so gegangen war, stand eines der Pärchen an den Tischen auf und ging. Daraufhin zog della Corte, nachdem er zwei weitere Drinks bestellt hatte, Brunetti am Ärmel zu dem freien Tisch und half ihm beim Hinsetzen. Als die Gläser vor ihnen standen, stützte Brunetti das Kinn auf eine Hand und fragte leise: »Sind Sie schon lange hier?«
    »Eine halbe Stunde vielleicht«, antwortete della Corte, nun nicht mehr mit der alkoholisierten Stimme und auch nicht mit dem breiten venezianischen Akzent von vorhin.
    »Und?«
    »Der Mann an der Bar, der mit den Frauen«, begann della Corte, bevor er an seinem Glas nippte, »wird immer wieder von Männern angesprochen, die hereinkommen. Zweimal hat sich daraufhin eine der Frauen mit dem jeweiligen Mann an die Bar gesetzt und etwas getrunken. Einmal ist eine von ihnen mit dem Besucher weggegangen und etwa zwanzig Minuten später allein zurückgekommen.«
    »Schnelle Arbeit«, sagte Brunetti, und della Corte nickte und nahm noch einen kleinen Schluck.
    »Wie er aussieht«, fuhr della Corte fort, »würde ich sagen, er hängt an der Nadel.« Er sah zur Bar hinüber und grinste breit, als eine der Frauen seinen Blick erwiderte.
    »Sind Sie da sicher?« fragte Brunetti.
    »Ich war sechs Jahre im Rauschgiftdezernat. Ich habe Hunderte von der Sorte gesehen.«
    »Tut sich sonst etwas in Padua?« erkundigte sich Brunetti. Beide wirkten bei dieser Unterhaltung recht uninteressiert an ihrer Umgebung, aber beide prägten sich Gesichter ein und verfolgten aufmerksam alles, was vorging.
    Della

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