Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
»Hier war es schrecklich, viel schlimmer als in New York oder London. Und ich mußte das alles von Xi'an aus machen, mit Briefen, die auf dem Postweg oder bei den Zensoren hängenblieben. Endlich, nachdem das drei Monate so gegangen war - das Ganze spielte sich ein Jahr vor der Eröffnung ab -, bin ich für zwei Wochen hergekommen und konnte das meiste erledigen, auch wenn ich dafür zweimal nach Rom fliegen mußte.«
    »Und Semenzato?« fragte Brunetti.
    »Ich glaube, man sollte als erstes wissen, daß seine Ernennung weitgehend politischer Natur war.« Sie sah Brunettis Erstaunen und lächelte. »Er hatte Museumserfahrung, ich weiß nicht, woher. Aber seine Ernennung war ein politischer Lohn. Sei's drum, es gab -«, sie korrigierte sich sofort, »es gibt am Museum Kuratoren, die sich tatsächlich um die Sammlung kümmern. Seine Aufgabe war in erster Linie administrativer Art, und die hat er sehr gut gemacht.«
    »Aber die Ausstellung hier, hat er Ihnen bei der Einrichtung geholfen?« Irgendwo in der Wohnung hörte er Flavia herumlaufen, hörte Schubladen und Schranktüren auf- und zugehen, das Klingen von Gläsern.
    »Ein bißchen, ja. Ich sagte schon, daß ich für die Ausstellungen in New York und London von Xi'an aus mehr oder weniger hin und her gependelt bin, aber hier bin ich zur Eröffnung hergekommen.« Er dachte, sie wäre fertig, aber sie fügte noch hinzu: »Und danach war ich noch einen Monat hier.«
    »Hatten Sie da viel mit ihm zu tun?«
    »Sehr wenig. Während des Aufbaus war er die meiste Zeit in Urlaub, und als er zurückkam, mußte er zu einer Konferenz mit dem Kulturminister nach Rom, weil er für eine andere geplante Ausstellung einen Austausch mit dem Brera in Mailand arrangieren wollte.«
    »Aber Sie hatten doch sicher irgendwann persönlichen Kontakt mit ihm?«
    »Ja, natürlich. Er war ungemein charmant und, wenn er konnte, auch sehr hilfsbereit. Er ließ mir freie Hand bei der Ausstellung, ich durfte sie nach meinen eigenen Vorstellungen aufbauen. Und als sie vorbei war, hat er es mit meiner Assistentin genauso gehalten.«
    »Ihrer Assistentin?« fragte Brunetti.
    Brett warf einen Blick in Richtung Küche und antwortete dann: »Matsuko Shibata. Sie war meine Assistentin in Xi'an, ausgeliehen vom Museum in Tokio, Teil eines Austauschprogramms zwischen Japan und China. Sie hatte in Berkeley studiert, war aber nach ihrem Examen nach Tokio zurückgegangen.«
    »Und wo ist sie jetzt?« fragte Brunetti.
    Brett beugte sich über das Buch und klappte etliche Seiten auf einmal um, bis ihre Hand auf einem zierlichen japanischen Wandschirm zur Ruhe kam, der Reiher im Flug über einem hohen Bambusdickicht zeigte. »Sie ist tot. Am Ausgrabungsort tödlich verunglückt.«
    »Wie ist das passiert?« Brunetti sprach sehr leise, denn er merkte, daß Brett schon angefangen hatte, diesen Unfall wegen Semenzatos Tod in einem völlig anderen Licht zu sehen.
    »Sie ist gestürzt. Die Ausgrabungsstelle in Xi'an ist nicht viel mehr als ein offenes Loch mit einem Flugzeughangar darüber. Die Statuen waren alle begraben, sie waren ein Teil des Heeres, das der Kaiser mit in die Ewigkeit nehmen sollte. An manchen Stellen mußten wir drei bis vier Meter tief graben, um heranzukommen. Es gibt einen Außenbereich um die Ausgrabungsstätte herum, und ein Mäuerchen soll die Touristen davor bewahren, hineinzufallen oder Erde loszutreten, die auf uns fallen würde, wenn wir unten arbeiten. An manchen Stellen, wo Touristen nicht hindürfen, ist keine solche Mauer. - Matsuko ist gestürzt«, begann sie, aber Brunetti sah, wie sie beim Sprechen neue Möglichkeiten in Erwägung zog und dementsprechend ihre Worte wählte. Sie formulierte es dann so: »Matsukos Leiche wurde an einer solchen Stelle unten im Graben gefunden. Sie war etwa drei Meter tief gefallen und hatte sich das Genick gebrochen.« Sie sah zu Brunetti hinüber und gab ihre neuerlichen Zweifel nun offen zu, indem sie den letzten Satz abänderte: »Man hat sie auf dem Boden der Grube mit gebrochenem Genick gefunden.«
    »Wann war das?«
    Aus der Küche kam ein lauter Schuß. Ohne zu überlegen, schnellte Brunetti vom Sofa hoch und duckte sich vor Brett, warf sich zwischen sie und die offene Küchentür. Während er unter dem Jackett nach seinem Revolver griff, hörte er Flavia ausrufen: »Porca vaca«, dann vernahmen beide das unverkennbare Platschen von Champagner aus einem Flaschenhals auf den Fußboden.
    Brunetti ließ die Waffe los und setzte sich wortlos

Weitere Kostenlose Bücher