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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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schluchzte.
    Rasch ging er durch den Flur und in ihr Zimmer. Paola saß auf der Bettkante, die Arme um Chiara gelegt. »Aber Mäuschen, ich glaube nicht, daß wir im Augenblick noch etwas tun können. Ich habe den Eisbeutel aufgelegt, und nun mußt du einfach warten, bis der Schmerz weggeht.«
    »Aber mamma, es tut weh. Es tut so weh. Kannst du nicht machen, daß es aufhört?«
    »Ich kann dir noch ein Aspirin geben, Chiara. Vielleicht hilft das.«
    Chiara schluckte ihre Tränen hinunter und wiederholte mit eigenartig hoher Stimme: »Mamma, bitte tu was.«
    »Was ist denn los, Paola?« fragte er, sehr um einen ruhigen, sachlichen Ton bemüht.
    »Ach, Guido«, sagte Paola und drehte sich zu ihm um, die Arme aber weiter fest um Chiara geschlungen. »Chiara hat sich den Tisch auf den Zeh fallen lassen.«
    »Welchen Tisch?« fragte er, statt sich zu erkundigen, auf welchen Zeh.
    »Den aus der Küche.« Das war der mit dem Holzwurm. Was hatten sie nur getan, etwa versucht, ihn allein nach draußen zu tragen? Aber warum bei diesem Regen? Sie konnten ihn doch gar nicht auf die Terrasse schaffen; er war viel zu schwer für sie.
    »Wie ist das passiert?«
    »Sie wollte mir nicht glauben, daß da so viele Löcher drin sind, und hat ihn gekippt, um nachzusehen, dabei ist er ihr aus der Hand gerutscht und auf den Zeh gefallen.«
    »Laß mich mal sehen.« Im selben Moment sah er, daß ihr rechter Fuß auf der Bettdecke lag und ein Badetuch darumgewickelt war, das einen Beutel mit Eiswürfeln festhielt, damit die Schwellung unterdrückt wurde.
    Es war genau, wie er gedacht hatte, eigentlich noch schlimmer. Ihr rechter großer Zeh war ganz dick geschwollen und der Nagel tief rot, so daß man schon das Blau ahnte, das mit der Zeit daraus werden würde.
    »Ist er gebrochen?« fragte Brunetti.
    »Nein, papà, ich kann ihn bewegen, ohne daß es weh tut. Aber er klopft und klopft«, sagte Chiara. Sie hatte aufgehört zu schluchzen, aber er sah an ihrem Gesicht, daß sie noch immer starke Schmerzen hatte. »Papà, bitte tu etwas.«
    »Da kann papà auch nichts tun, Chiara«, sagte Paola, während sie den Fuß etwas zur Seite schob und den Eisbeutel wieder auflegte.
    »Wann ist das passiert?« fragte er.
    »Heute nachmittag, gleich nachdem du gegangen warst«, antwortete Paola.
    »Und ist sie schon die ganze Zeit so?«
    »Nein, papà«, sagte Chiara, die glaubte, sich gegen den unausgesprochenen Vorwurf verteidigen zu müssen, sie habe den ganzen Nachmittag mit Weinen zugebracht. »Zuerst hat es weh getan, dann war es eine Weile gut, aber jetzt tut es wieder unheimlich weh.« Sie hatte ihn schon einmal gebeten, etwas zu tun; Chiara war nicht der Mensch, der eine Bitte wiederholte.
    Ihm fiel etwas ein, was er vor Jahren erlebt hatte, als er seinen Militärdienst ableistete und einem der Männer aus seiner Einheit ein Schachtdeckel auf den Zeh gefallen war. Wie durch ein Wunder war der Zeh nicht gebrochen, aber er war, genau wie Chiaras, angeschwollen und rot geworden.
    »Es gibt da eine Möglichkeit«, begann er. Paola und Chiara drehten die Köpfe und sahen ihn an.
    »Was?« fragten sie wie aus einem Munde.
    »Es ist eklig«, meinte er, »aber es hilft.«
    »Was ist es, papà?« fragte Chiara, deren Lippen wieder zu zittern begannen vor Schmerz.
    »Ich muß eine Nadel durch den Nagel bohren und das Blut herauslassen.«
    »Nein!« rief Paola und umfaßte Chiaras Schulter.
    »Hilft es, papà?«
    »Das eine Mal, als ich es gesehen habe, hat es geholfen, aber das ist Jahre her. Ich habe es nie selbst gemacht, nur zugesehen, wie der Arzt es gemacht hat.«
    »Meinst du, daß du es könntest, papà?«
    Er zog seinen Mantel aus und legte ihn aufs Fußende ihres Bettes. »Ich glaube schon, Engelchen. Wenn du willst, daß ich es probiere.«
    »Hört es dann auf weh zu tun?«
    »Ich denke, ja.«
    »Also gut, papà.«
    Er sah kurz zu Paola, um ihre Meinung einzuholen. Sie beugte sich vor, küßte Chiara aufs Haar, nahm sie dann noch fester in die Arme und nickte Brunetti mit einem unsicheren Lächeln zu.
    Er ging in die Küche und holte aus der dritten Schublade rechts von der Spüle eine Kerze, die er in einen Kerzenhalter aus Keramik steckte, nahm dann noch eine Schachte] Streichhölzer und ging zurück in Chiaras Zimmer. Er stellte die Kerze auf ihren Schreibtisch, zündete sie an und ging durch den Flur in Paolas Arbeitszimmer. Aus der obersten Schublade ihres Schreibtischs nahm er eine Büroklammer und bog sie auf dem Weg zu Chiaras Zimmer

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