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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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faltete er sein Taschentuch zu einem ordentlichen Rechteck, steckte es wieder in die Jackentasche und lehnte sich gegen die Truhe. »Ja, so könnte man es ausdrücken.«
    »Und was bekam er für seine Investition?«
    »Fünfzig Prozent des Gewinns über zehn Jahre.«
    »Und wer führte die Bücher?«
    »Wir haben einen contabile, der das alles für uns erledigt.«
    »Wer macht den Einkauf?«
    »Ich.«
    »Und den Verkauf?«
    »Ich. Oder meine Tochter. Sie ist zwei Tage die Woche hier.«
    »Also wissen nur Sie und Ihre Tochter, was zu welchem Preis eingekauft und was zu welchem Preis verkauft wird?«
    »Ich habe Quittungen für jeden An- und Verkauf, Dottor Brunetti«, sagte Murino schon fast beleidigt.
    Brunetti überlegte kurz, ob er sich darüber auslassen sollte, daß Quittungen in Italien jeder für alles und jedes besaß und daß alle diese Quittungen keinerlei Bedeutung hatten, es sei denn als gefälschte Belege zwecks Steuerersparnis.
    »Ja, ich glaube gern, daß Sie die haben, Signor Murino«, sagte Brunetti und wechselte das Thema. »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    Murinos Antwort ließ nicht auf sich warten. »Vor zwei Wochen. Wir haben uns auf ein Gläschen getroffen, und ich habe ihm gesagt, daß ich Ende des Monats eine Einkaufsreise in die Lombardei plane. Dazu wollte ich den Laden eine Woche schließen und fragte ihn, ob er etwas dagegen hatte.«
    »Hatte er etwas dagegen?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Und Ihre Tochter?«
    »Die ist mit ihren Examensvorbereitungen voll beschäftigt. Sie studiert Jura. Und da es ganze Tage gibt, an denen niemand in den Laden kommt, dachte ich, es wäre eine günstige Zeit, ihn für eine Weile zu schließen. Außerdem müssen wir einiges machen lassen.«
    »Was?«
    »Wir haben eine Tür zum Kanal hin, die sich aus den Angeln gelöst hat. Wenn wir sie benutzen wollen, muß ein ganz neuer Rahmen eingesetzt werden«, sagte Murino und deutete auf die Samtvorhänge. »Möchten Sie mal sehen?«
    »Nein, danke«, antwortete Brunetti. »Signor Murino, ist Ihnen je der Gedanke gekommen, daß Ihr Teilhaber in einen Interessenkonflikt geraten könnte?«
    Murino lächelte fragend. »Ich muß gestehen, daß ich Ihnen nicht folgen kann.«
    »Dann lassen Sie es mich verdeutlichen. Seine andere Stellung hätte ihm dazu dienen können, sagen wir, zum Vorteil Ihres gemeinsamen Unternehmens tätig zu werden.«
    »Verzeihung, aber ich verstehe immer noch nicht ganz, was Sie meinen.«
    Brunetti nannte Beispiele. »Er hätte Sie etwa als Berater einschalten oder durch Sie erfahren können, daß bestimmte Stücke oder Sammlungen demnächst zum Verkauf stehen. Vielleicht hätte er das Geschäft auch Leuten empfehlen können, die Interesse an ganz bestimmten Stücken äußerten.«
    »Nein, der Gedanke ist mir nie gekommen.«
    »Und Ihrem Teilhaber?«
    Murino nahm sein Taschentuch und bückte sich, um einen weiteren Fleck wegzureiben. Als er mit dem Glanz zufrieden war, sagte er: »Ich war sein Geschäftspartner, Commissario, nicht sein Beichtvater. Ich fürchte, diese Frage könnte nur er beantworten.«
    »Und das geht ja leider nicht.«
    Murino schüttelte traurig den Kopf. »Nein, leider nicht.«
    »Was geschieht jetzt mit seinem Anteil am Geschäft?«
    Murinos Gesicht drückte nichts als erstaunte Unschuld aus. »Nun, ich werde den Gewinn weiter teilen, mit seiner Witwe.«
    »Und Sie und Ihre Tochter besorgen weiter den An- und Verkauf?«
    Murino brauchte lange für seine Antwort, aber dann war sie nicht mehr als eine Bekräftigung des Selbstverständlichen. »Ja, natürlich.«
    »Natürlich«, echote Brunetti.
    Murino stieg die Zornesröte ins Gesicht, aber bevor er sprechen konnte, sagte Brunetti: »Vielen Dank, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben, Signor Murino. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Reise in die Lombardei.«
    Murino stieß sich von der Truhe ab und ging zur Tür, um Brunettis Schirm zu holen. Er übergab ihn mit dem Griff voran, dann öffnete er die Tür, hielt sie höflich und schloß sie sanft hinter Brunetti. Dieser fand sich im Regen wieder und spannte seinen Schirm auf. Dabei wurde er ihm von einem plötzlichen Windstoß fast aus der Hand gerissen, aber er hielt ihn fest und machte sich auf den Heimweg. Während des ganzen Gesprächs hatte keiner von ihnen auch nur einmal Semenzatos Namen genannt.

16
    Während er durch den prasselnden Regen über den campo ging, überlegte Brunetti, ob Semenzato es wohl einem Mann wie Murino überlassen hätte, über An-

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