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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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meine Freunde gern ein bißchen übers Ziel hinaus, wenn sie glauben, es gehe um die Wahrung meiner Interessen.«
    Sie wußte nicht, warum, aber sie wußte, daß er log und daß seine Befehle klar und eindeutig gewesen waren. »Und Dottor Semenzato, sollten sie ihn auch warnen?«
    Zum erstenmal sah er sie mit ungespieltem Mißvergnügen an, als hätte sie mit diesen Worten in Frage gestellt, daß er der absolute Herr der Lage war.
    »Nun?« fragte sie gleichmütig.
    »Gütiger Himmel, Dottoressa, wofür halten Sie mich eigentlich?«
    Sie beantwortete diese Frage lieber nicht.
    »Aber warum soll ich es Ihnen nicht erzählen?« fragte er dann mit liebenswürdigem Lächeln. »Dottor Semenzato war ein sehr ängstlicher Mann. Das konnte man noch hinnehmen, aber dann wurde er zu einem sehr raffgierigen Mann, und das ist nicht hinnehmbar. Er war töricht genug, aus den Schwierigkeiten, die Sie machten, finanziellen Vorteil ziehen zu wollen. Meine Freunde lassen, wie ich schon erwähnte, nicht gern meine Ehre beflecken.« Er schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf bei der Erinnerung.
    »Ehre?« fragte Brett.
    La Capra ging darauf nicht ein. »Und dann kam die Polizei mich ausfragen, worauf ich es für angebracht hielt, mit Ihnen zu reden.«
    Während er sprach, wurde es Brett auf einmal schmerzlich klar: Wenn er so offen mit ihr über Semenzatos Tod sprach, dann wußte er, daß er von ihr nichts zu befürchten hatte. An der gegenüberliegenden Wand sah sie zwei Stühle stehen. Sie ging zu dem einen und ließ sich darauf sinken. Sie war so schwach, daß sie nach vorn sackte und den Kopf zwischen die Knie legte, doch der stechende Schmerz von ihren noch immer bandagierten Rippen ließ sie wieder hochfahren und nach Luft schnappen.
    La Capra warf ihr einen Blick zu. »Aber reden wir doch nicht von Dottor Semenzato, solange wir all diese schönen Dinge hier um uns haben.« Er nahm die Vase in die Hände und kam zu ihr herüber, bückte sich und hielt sie ihr hin. »Sehen Sie nur. Und beachten Sie die fließenden Linien der Zeichnung, wie die Läufe nach vorn schnellen. Es könnte eben gemalt worden sein, nicht? Vollkommen modern in der Ausführung. Absolut phantastisch.«
    Sie sah die Vase an, die sie so gut kannte, dann ihn. »Wie haben Sie es gemacht?« fragte sie müde.
    »Ach«, sagte er, indem er sich aufrichtete, dann trug er die Vase zur Vitrine zurück und stellte sie behutsam auf ihren Platz. »Das sind Berufsgeheimnisse, Dottoressa. Sie dürfen nicht verlangen, daß ich sie preisgebe«, sagte er, dabei war es klar, daß er genau das wollte.
    »War es Matsuko?« fragte sie, denn wenigstens das mußte sie wissen.
    »Ihre kleine japanische Freundin?« fragte er sarkastisch. »Dottoressa, in Ihrem Alter sollten Sie eigentlich so klug sein und Ihr Privatleben nicht mit Ihrem Beruf durcheinanderbringen, schon gar nicht, wenn Sie es mit jüngeren Leuten zu tun haben. Die haben einfach nicht unsere Weltsicht, verstehen die Dinge nicht so gut voneinander zu trennen wie wir.« Er hielt kurz inne, um sich an der eigenen Weisheit zu erbauen, und fuhr dann fort: »Nein, sie neigen dazu, alles so persönlich zu nehmen, sehen sich selbst immer als den Mittelpunkt des Universums. Und das kann sie sehr gefährlich machen.« Er lächelte, aber es war nicht erfreulich anzusehen. »Oder sehr, sehr nützlich.«
    Er kam wieder zu ihr herüber, blieb vor ihr stehen und sah auf ihr erhobenes Gesicht herunter. »Natürlich war sie es. Aber ihre Motive waren alles andere als klar. Sie wollte kein Geld, war sogar gekränkt, als Semenzato es ihr anbot. Und sie wollte ganz bestimmt Sie nicht verletzen, Dottoressa, nicht wirklich, wenn Ihnen das ein Trost ist. Sie hat die Sache einfach nicht richtig durchschaut.«
    »Warum hat sie es dann getan?«
    »Oh, zu Anfang war es ganz gewöhnliche Rache, der klassische Fall verschmähter Liebe, die zurückschlagen und den treffen will, der ihr weh getan hat. Ich glaube nicht einmal, daß ihr klar war, was wir vorhatten, das Ausmaß. Sie hat sicher angenommen, daß wir nur das eine Stück wollten. Vermutlich hoffte sie sogar, daß der Austausch entdeckt würde. Das hätte Ihre Urteilsfähigkeit in Frage gestellt. Schließlich hatten Sie die Exponate ausgesucht, und wenn der Austausch bei der Rücksendung bemerkt worden wäre, hätte es so ausgesehen, als ob Sie anstelle eines Originals eine Fälschung geschickt hätten. Erst später merkte sie, wie unwahrscheinlich es war, daß schon im Museum in Xi'an

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