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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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in die Küche, begrüßte die Kinder und ging zu Paolas Zimmer. Ein kleiner CD-Spieler stand auf dem Bücherregal; Paola saß mit dem quadratischen Librettoheftchen in der Hand da, saß und sang. »Cecilia Bartoli?« fragte er beim Hineingehen.
    Sie sah auf, ganz erstaunt, daß er die Stimme der Sängerin erkannt hatte, der sie gerade bei ihrer Arie half, und ohne zu argwöhnen, daß er den Namen auf der neuen CD von Il Barbiere di Siviglia gelesen hatte, die sie vor einer Woche erstanden hatte.
    »Woher weißt du das?« fragte sie und vergaß vorübergehend, »Una voce poco fa« weiterzusingen.
    »Wir haben unsere Augen überall«, sagte er, dann korrigierte er sich: »Ich meine, unsere Ohren.«
    »Sei nicht so albern, Guido«, versetzte sie lachend. Sie klappte das Libretto zu, warf es neben sich auf den Tisch, beugte sich vor und schaltete die Musik aus.
    »Meinst du, die Kinder hätten Lust, zum Abendessen auszugehen?« fragte er.
    »Nein. Die gucken sich gerade irgendeinen blöden Film an, der bis acht dauert, und ich habe schon was auf dem Herd.« »Was denn?« erkundigte er sich, wobei er merkte, daß er richtig hungrig war. »Gianni hatte heute sehr schönes Schweinefleisch.« »Gut. Und was machst du daraus?« »Ragout mit Steinpilzen.« »Und dazu Polenta?«
    Sie lächelte. »Natürlich. Kein Wunder, daß du diesen Bauch kriegst.« »Was für einen Bauch?« fragte Brunetti und zog sein Bäuchlein rasch ein. Als sie nicht antwortete, meinte er:
    »Der Winter ist jetzt zu Ende.« Und um sie, vielleicht auch sich selbst, von der Debatte um seinen Bauch abzulenken, berichtete er ihr über die Ereignisse des Tages, seit er den Anruf von Vittorio Sassi bekommen hatte. »Hast du ihn schon zurückgerufen?« fragte Paola.
    »Nein, ich hatte zuviel um die Ohren.«
    »Dann tu's doch jetzt«, sagte sie und stand auf, damit er von dem Apparat in ihrem Arbeitszimmer aus telefonieren konnte, während sie selbst in die Küche ging, um Wasser für die Polenta aufzusetzen.
    »Und?« fragte sie, als er kurz darauf nachkam, und reichte ihm ein Glas Dolcetto.
    »Danke«, murmelte er und trank ein Schlückchen. »Ich habe ihm gesagt, wie es ihr geht und wo sie ist.«
    »Was hast du für einen Eindruck von ihm?«
    »So anständig, daß er ihr eine Arbeit und eine Wohnung suchen hilft, und so besorgt, mich anzurufen, nachdem das passiert war.«
    »Was war das denn deiner Meinung nach?«
    »Könnte ein Unfall gewesen sein, aber auch etwas Schlimmeres«, sagte Brunetti zwischen zwei Schlucken Wein.
    »Du meinst, daß jemand sie umbringen wollte?«
    Er nickte.
    »Warum?«
    »Käme ganz darauf an, mit wem sie gesprochen hat, seit sie bei mir war. Und was sie gesagt hat.«
    »Würde sie so unbedacht sein?« fragte Paola. Sie wußte über Maria Testa nur, was Brunetti ihr im Lauf der Jahre über Suor Immacolata erzählt hatte, und das waren stets Lobeshymnen über ihre Geduld und ihre Nächstenliebe als Nonne gewesen, also eigentlich nichts, wonach sie hätte beurteilen können, wie diese junge Frau sich in einer Situation wie der von Brunetti geschilderten verhalten würde.
    »Ich glaube nicht, daß sie selbst darin etwas Unbedachtes sehen würde. Sie war den längsten Teil ihres Lebens Nonne, Paola«, sagte er, als erklärte das alles.
    »Was soll das heißen?«
    »Daß sie keine rechte Vorstellung davon hat, wie Menschen sich verhalten. Wahrscheinlich ist sie mit menschlicher Bosheit oder Falschheit nie in Berührung gekommen.«
    »Hast du nicht gesagt, daß sie Sizilianerin ist?« meinte Paola.
    »Das ist nicht komisch.«
    »Es sollte auch gar kein Scherz sein, Guido«, versetzte Paola gekränkt. »Ich meine es ganz ernst. Wenn sie in dieser Gesellschaft auf gewachsen ist...« Sie wandte sich vom Herd ab. »Was hast du gesagt, wie alt sie war, als sie in den Orden eintrat?«
    »Fünfzehn, glaube ich.«
    »Also, wenn sie in Sizilien auf gewachsen ist, dürfte sie schon genug erlebt haben, um Bosheit für möglich zu halten. Romantisiere sie nicht. Sie ist keine Gipsheilige, die gleich zusammenbricht, wenn sie jemanden etwas Unschickliches tun oder sich schlecht benehmen sieht.«
    Brunetti konnte die Verärgerung nicht aus seiner Stimme heraushalten, als er erwiderte: »Fünf alte Leute umzubringen, kann man wohl kaum als schlechtes Benehmen abtun.«
    Paola sagte nichts darauf, sondern sah ihn nur groß an und wandte sich ab, um Salz in das kochende Wasser zu schütten.
    »Schon gut, schon gut. Ich weiß, daß wir nicht viel an

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