Brunetti 07 - Nobiltà
Drogenaffäre verhaftet.« Während er sprach, ging der Conte vor dem leeren Kamin auf und ab. Dann blieb er vor Brunetti stehen und blaffte: »Wollen Sie noch mehr hören?«
»Das ist alles sehr weit weg«, sagte Brunetti leise.
»Weit weg?«
»Weit von hier. Ich dachte an Dinge, die näher liegen, etwa in Italien.«
Der Conte schien nicht recht zu wissen, wie er Brunettis Worte verstehen sollte, ob er böse werden oder ihm die gewünschte Auskunft geben sollte. Maurizio wählte diesen Augenblick, um sich einzumischen. »Wir hatten vor etwa drei Jahren Verdruss mit einem Lieferanten in Neapel.« Brunetti sah ihn fragend an, und der junge Mann fuhr fort: »Er hat uns Motorteile für unsere Lastwagen geliefert, aber wie sich herausstellte, waren sie gestohlen, aus Sendungen, die über den Hafen von Neapel liefen.«
»Und weiter?«
»Wir haben den Lieferanten gewechselt«, erklärte Maurizio.
»War das ein großer Lieferumfang?« fragte Brunetti.
»Groß genug«, unterbrach der Conte.
»Um was für Beträge ging es da so?«
»Etwa fünfzig Millionen Lire im Monat.«
»Hat es Krach gegeben? Drohungen?« fragte Brunetti.
Der Conte zuckte die Achseln. »Ein bisschen Krach schon, aber keine Drohungen'.«
»Und wie ging es weiter?«
Der Conte zögerte die Antwort so lange hinaus, dass Brunetti sich veranlasst sah, seine Frage zu wiederholen. »Wie ging es weiter?«
»Ich habe ihn an eine andere Spedition empfohlen.«
»Einen Konkurrenten?« erkundigte sich Brunetti.
»Jeder ist ein Konkurrent«, sagte der Conte.
»Hatten Sie sonst noch einmal irgendwelchen Ärger? Vielleicht mit einem Mitarbeiter? Hatte einer möglicherweise Kontakte zur Mafia?«
»Nein«, redete Maurizio dazwischen, bevor sein Onkel antworten konnte.
Brunetti hatte den Conte beobachtet, als er seine Frage stellte, und dessen Überraschung bei der Antwort des jungen Mannes.
Mit ruhiger Stimme stellte er die Frage noch einmal direkt an den Conte. »Wussten Sie von einem Mitarbeiter, der Verbindungen zum kriminellen Milieu hatte?«
Der Conte schüttelte den Kopf. »Nein, nein.«
Bevor Brunetti zu einer weiteren Frage ansetzen konnte, sagte die Contessa: »Er war mein Kind. Ich habe ihn so sehr geliebt.« Als er zu ihr hinsah, war sie aber schon wieder verstummt und zog weiter die glatten Perlen durch ihre Finger.
Der Conte beugte sich über sie und streichelte ihre magere Wange, doch sie zeigte mit keiner Regung, ob sie die Berührung wahrgenommen hatte, oder auch nur seine Anwesenheit. »Ich glaube, das genügt jetzt«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete.
Brunetti wollte hoch eines. »Haben Sie seinen Pass?«
Als der Conte die Antwort schuldig blieb, fragte Maurizio: »Robertos?« Und auf Brunettis Nicken hin sagte er: »Natürlich.«
»Ist er hier im Haus?«
»Ja, in seinem Zimmer. Da sah ich ihn liegen, als wir... als wir aufgeräumt haben.«
»Könnten Sie ihn mir holen?«
Maurizio warf einen fragenden Blick zum Conte, der aber blieb stumm und reglos.
Maurizio entschuldigte sich, und drei volle Minuten lang hörten die beiden Männer den geflüsterten Ave Marias der Contessa zu, immer wieder von vorn, während die Rosenkranzperlen leise aneinanderklickten.
Maurizio kam zurück und gab Brunetti den Pass.
»Soll ich Ihnen eine Quittung dafür ausstellen?« fragte er.
Der Conte tat dies mit einer Handbewegung ab, und Brunetti steckte den Pass in seine Jackentasche, ohne ihn sich erst anzusehen.
Plötzlich wurde das Flüstern der Contessa lauter. »Wir haben ihm alles gegeben. Er war mein Alles«, sagte sie, aber dann folgte wieder ein Ave Maria.
»Ich glaube, das wird für meine Frau jetzt zuviel«, sagte der Conte. Er schaute sie mit vor Kummer verengten Augen an - die erste Gefühlsregung, die Brunetti ihn zeigen sah.
»Ja«, sagte er kurz und wandte sich zum Gehen.
»Ich bringe Sie hinaus«, erbot sich der Conte. Aus dem Augenwinkel sah Brunetti, wie Maurizio seinem Onkel einen scharfen Blick zuwarf, doch der Conte schien es nicht bemerkt zu haben, ging zur Tür und hielt sie für Brunetti auf.
»Ich danke Ihnen«, sagte Brunetti, an alle Anwesenden adressiert, obwohl er seine Zweifel hatte, ob die eine sein Hiersein überhaupt mitbekommen hatte.
Der Conte ging ihm voraus durch den Flur und öffnete die Eingangstür.
»Fällt Ihnen noch irgend etwas ein, Signor Conte? Etwas, das uns weiterhelfen könnte?« fragte Brunetti.
»Nichts kann mehr helfen«, antwortete der andere, fast so, als redete er mit sich
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