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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunetti legte den aufgeschlagenen Pass daneben und sah sich noch einmal die Visavermerke an: Zahlen und Daten waren in arabischen Ziffern geschrieben. »Derselbe Tag«, sagte er.
    »Und das heißt?«
    »Daß er zu Lände von Polen nach Weißrussland gereist und dort nur einen Tag geblieben ist, vielleicht sogar kürzer, bevor er zurückkam.«
    »Ist das merkwürdig? Du sagst doch, dass er so etwas wie ein Laufbursche für die Firma war. Vielleicht musste er nur einen Vertrag abliefern oder etwas abholen.«
    »Hm«, stimmte Brunetti zu. Er nahm den Atlas und begann darin zu blättern.
    »Wonach suchst du?«
    »Ich wüsste gern, auf welchem Weg er hierher zurückgekommen sein könnte«, antwortete er, während er die Karte Osteuropas betrachtete und mit dem Finger die wahrscheinlichste Route nachzog. »Vermutlich über Polen und Rumänien, wenn er mit dem Auto unterwegs war.«
    Paola unterbrach ihn. »Roberto kommt mir nicht wie einer vor, der mit dem Bus reisen würde.«
    Brunetti grunzte, den Finger noch auf der Karte. »Dann Österreich und über Udine und Treviso hierher.«
    »Findest du das wichtig?«
    Brunetti zuckte die Achseln.
    Paola verlor das Interesse. Sie klappte das Leporelloblatt wieder zusammen und gab Brunetti den Pass zurück. »Wenn es wichtig war, wirst du es leider nie erfahren. Er kann es dir nicht mehr sagen«, meinte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Buch, das sie offen vor sich liegen hatte.
    »Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt, Horatio«, zitierte er, wie sie es schon oft bei ihm getan hatte.
    »Und was soll das nun wieder heißen?« fragte sie lächelnd und sah zu ihm auf. Es freute sie, dass die Runde an ihn ging.
    »Es heißt, dass wir im Plastikzeitalter leben.«
    »Plastik?« wiederholte sie ratlos.
    »Und Computer.«
    Als Paola immer noch nichts begriff, grinste er und sagte im perfekt nachgeahmten Ton der Fernsehwerbung: »Geh nie ohne deine Kreditkarte aus dem Haus.« Er sah, wie ihr etwas dämmerte, und fuhr fort: »Dann kann ich alle deine Bewegungen verfolgen, und zwar...« und Paola, die endlich verstanden hatte, beendete mit ihm zusammen den Satz: »auf Signorina Elettras Computer.«

21
    »Natürlich kann man Prostituierte per Kreditkarte bezahlen«, erklärte Signorina Elettra zwei Tage später einem verblüfften Brunetti. Er stand neben ihrem Schreibtisch, in der Hand einen vierseitigen Computerausdruck aller Zahlungen, die Roberto Lorenzoni in den letzten beiden Monaten vor seiner Entführung mit seinen drei Kreditkarten getätigt hatte.
    Die Ausgaben waren horrend, egal woran man sie maß - weit über fünfzig Millionen Lire, mehr als die meisten Leute in einem Jahr verdienten. Die einzelnen Beträge waren aus den verschiedensten Währungen in Lire umgerechnet: Pfund, Dollar, Mark, Zloty, Lew, Rubel.
    Brunetti war auf der dritten Seite, wo die Rechnungen eines Hotels in St. Petersburg standen. Dort hatte Roberto in zwei Tagen über vier Millionen Lire für Zimmerservice ausgegeben. Man hätte glauben können, dass der junge Mann sein Zimmer überhaupt nicht verlassen, alle Mahlzeiten dort eingenommen und nichts als Champagner getrunken hatte, wären da nicht noch die enormen Rechnungen von Restaurants und offenbar Discos oder Nachtclubs auf der Liste gewesen: Pink Flamingo, CanCan und Elvis.
    »Es kann nichts anderes sein«, beharrte Signorina Elettra.
    »Aber mit Visa Card?« fragte Brunetti, der einfach nicht glauben konnte, was ihm doch so deutlich ins Auge sprang.
    »Bei den Leuten von der Bank war das gang und gäbe«, sagte sie. »In fast allen osteuropäischen Staaten kann man das jetzt so machen. Es läuft unter Zimmerservice oder Wäsche oder sonstige Dienstleistungen, was dem Hotel gerade so einfällt. Auf diese Weise sichern sie sich ihren Anteil. Und haben eine Kontrolle darüber, wer im Hotel ein und aus geht.« Da sie sah, dass Brunetti ihr aufmerksam zuhörte, fuhr sie fort: »In den Hotelhallen wimmelt es von ihnen. Sie sehen aus wie wir. Westlich aufgemacht, meine ich. Armani, Gucci, Gap, und richtig hübsch. Einer meiner damaligen Chefs hat mir erzählt dass er einmal von einer angesprochen wurde, auf englisch. Das muss vor etwa vier Jahren gewesen sein - Astreines Englisch. Sie hätte Professorin in Oxford sein können. Und das war sie auch. Professorin. Zwar nicht in Oxford, aber an der dortigen Universität. Sie lehrte englische Lyrik und verdiente damit etwa 50000 Lire im Monat. Da

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