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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Familiengeschichte erkundigt, sondern sich immer mit dem unbestimmten Gefühl begnügt hatte, dass sie eben reich war.
    Er fragte: »Und er, wie war er, kanntest du ihn auch?«
    »Nein. Ich habe ihn erst später kennengelernt, als sie schon verheiratet waren.«
    »Aber ich dachte, die Lorenzonis waren mit allen bekannt.«
    Der Conte seufzte.
    »Wie bitte?« fragte Brunetti.
    »Nun, es war Ludovicos Vater, der damals die Juden an die Deutschen ausgeliefert hat.«
    »Ja, das weiß ich.«
    »Jeder wusste es, aber es gab keine Beweise, darum ist ihm nach dem Krieg nichts passiert. Aber von uns anderen wollte keiner etwas mit ihm zu tun haben. Nicht einmal seine eigenen Brüder wollten etwas von ihm wissen.«
    »Und Ludovico selbst?« fragte Brunetti.
    »Er war den Krieg über in der Schweiz, bei Verwandten. Er war ja damals noch ein kleines Kind.«
    »Und nach dem Krieg?«
    »Sein Vater hat nicht mehr lange gelebt. Ludovico hat ihn nie besucht und ist erst nach Venedig zurückgekommen, als er tot war. Es gab nicht viel zu erben, den Titel und den Palazzo, das war alles. Er kam zurück und schloss Frieden mit seinen Onkeln und Tanten. Schon damals schien es sein einziges Bestreben zu sein, den Namen so berühmt zu machen, dass die Sache mit seinem Vater in Vergessenheit geriet.«
    »Das ist ihm ja offenbar gelungen«, bemerkte Brunetti.
    »Ja, das kann man sagen.«
    Brunetti kannte die Geschäfte seines Schwiegervaters gut genug, um zu wissen, dass viele von ihnen sich mit denen der Familie Lorenzoni überschnitten, vielleicht sogar konkurrierten, und so akzeptierte er das Urteil des einen Conte über den anderen. »Und jetzt?« fragte er.
    »Jetzt? Jetzt hat er nur noch seinen Neffen.«
    Brunetti merkte, dass sie sich auf unsicherem Terrain bewegten. Conte Orazio hatte keinen Sohn, der seinen Namen weitertragen würde, nicht einmal einen Neffen, um das Familienunternehmen fortzuführen. Vielmehr hatte er nur eine einzige Tochter, und die war mit einem Mann verheiratet, dessen Rang nicht dem' ihren entsprach, der nur Polizist war und dazu bestimmt schien, nie über den Dienstgrad eines Commissario hinauszukommen. Derselbe Krieg, der Ludovicos Vater dazu gebracht hatte, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen, hatte Brunettis Väter zum Hauptmann in einem Infanterie-Regiment gemacht, das mit dünnen Stiefeln nach Rußland marschiert war, um gegen die Feinde Italiens zu kämpfen. Statt dessen hatten sie einen aussichtslosen Kampf gegen den russischen Winter geführt, und die wenigen, die überlebten - darunter auch Brunettis Vater -, waren für Jahre in Stalins Lagern verschwunden. Der grauhaarige Mann, der 1949 zu Fuß nach Venedig zurückkam, war noch immer Hauptmann gewesen und hatte die ihm verbliebenen Jahre von der Pension eines Hauptmanns gelebt, aber es waren Verbrechen an seiner Seele begangen worden, und Brunetti, damals noch ein Kind, hatte seinen Vater nur selten als den fröhlichen, ausgelassenen jungen Mann erlebt, den seine Mutter geheiratet hatte.
    Brunetti schüttelte diese Erinnerung und seine Gedanken an die Lorenzonis ab und sagte: »Ich habe versucht, mit Paola zu sprechen.«
    »Versucht?«
    »Es ist nicht so einfach.«
    »Jemandem zu sagen, dass man ihn liebt?«
    Brunetti war so erstaunt, fast so etwas wie Zorn aus den Worten seines Schwiegervaters herauszuhören, dass er schwieg.
    »Guido?«
    »Ja?« Brunetti machte sich schon auf wortreiche Vorwürfe gefasst, aber auch vom anderen Ende der Leitung kam vorerst nur ein langes Schweigen.
    »Ich verstehe schon, Guido«, sagte der Conte dann, »ich wollte dich nicht anfahren.« Mehr sagte er nicht, aber Brunetti nahm es als Entschuldigung. Seit zwanzig Jahren drückten er und der Conte sich vor der Erkenntnis, dass sie durch die Heirat zwar zu Verwandten, aber nie zu Freunden geworden waren. Und nun schien ihm der Conte gerade dieses anzubieten.
    Erneutes Schweigen machte sich breit, bis der Conte es schließlich mit den Worten beendete: »Nimm dich in acht vor diesen Leuten, Guido«
    »Vor den Lorenzonis?«
    »Nein. Vor denen, die den Jungen entführt haben. Er war niemandem gefährlich. Und Lorenzoni hätte ihnen das Geld geben können. Das ist mir auch zu Ohren gekommen.«
    »Was?«
    »Ein Freund hat mir erzählt, er hätte munkeln hören, dass jemand dem Conte angeboten habe, es ihm zu leihen.«
    »Die ganze Summe?«
    »Ja, soviel er eben brauchte. Natürlich gegen hohe Zinsen, aber das Angebot wurde gemacht.«
    »Wer?«
    »Das spielt keine

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