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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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beunruhigend, wie vertraut ihm der Weg zum Tod war.
    An der Tür erkannte ihn der Wärter und begrüßte ihn mit einem Kopfnicken. Er war ein Mann, der sich in jahrzehntelangem Umgang mit den Toten deren Schweigsamkeit zu eigen gemacht hatte.
    »Franco Rossi«, sagte Brunetti nur.
    Erneutes Nicken, und schon drehte der Mann sich um und führte Brunetti in den Raum, in dem auf hüfthohen Tischen einige weiß zugedeckte Gestalten lagen. Der Wärter ging mit Brunetti auf die andere Seite des Raumes und blieb dort bei einem der Tische stehen, machte aber keine Anstalten, das Tuch zurückzuschlagen. Brunetti blickte nach unten: die Pyramide der Nase, eine Absenkung am Kinn, dann eine unebene Fläche, unterbrochen von zwei horizontalen Schwellungen, bei denen es sich wohl um die eingegipsten Arme handeln mußte, und dann zwei horizontale Röhren, die da endeten, wo die Füße nach beiden Seiten abstanden.
    »Er war ein Freund von mir«, sagte Brunetti, vielleicht nur zu sich selbst, und zog das Tuch vom Gesicht.
    Die Delle über dem linken Auge war blau und zerstörte die Symmetrie der Stirn, die sonderbar flach wirkte, als wäre sie von einer riesigen Hand eingedrückt worden. Sonst war es dasselbe Gesicht, schlicht und unscheinbar. Paola hatte ihm einmal erzählt, daß Henry James, den sie verehrte, den Tod als »Das Würdige« bezeichnet habe, aber es war nichts Würdiges an dem, was sich Brunettis Blicken hier bot: Dies hier war platt, namenlos und kalt.
    Er deckte das Gesicht wieder zu und fragte sich im stillen, wieviel von dem, was da vor ihm lag, noch Rossi war; und wenn es Rossi nicht mehr gab, warum dann das, was übrig war, soviel Respekt verdiente. »Danke«, sagte er zu dem Wärter und ging hinaus. Seine Reaktion auf die Wärme im Hof war durch und durch animalisch: Fast konnte er fühlen, wie sich die Haare in seinem Nacken wieder glätteten. Er überlegte, ob er in die Neurologie gehen sollte, um zu hören, welche Ausreden man dort parat hatte, aber der Anblick von Rossis geschundenem Gesicht ließ ihn nicht los, und er wollte eigentlich nur heraus aus der Enge des Krankenhauses. Er gab diesem Verlangen nach und ging. Noch einmal sprach er bei der Anmeldung vor, doch diesmal zückte er seinen Dienstausweis und verlangte Rossis Adresse.
    Der Pförtner fand sie schnell und schrieb noch die Telefonnummer dazu. Es war eine niedrige Nummer in Castello, und als Brunetti den Pförtner fragte, ob er wisse, wo das sei, erklärte ihm dieser, es müsse bei Santa Giustina sein, nicht weit von dem Laden, der früher einmal die Puppenklinik gewesen war.
    »Hat sich hier schon jemand nach ihm erkundigt?« fragte Brunetti.
    »Seit ich Dienst habe, nein, Commissario. Aber seine Angehörigen sind bestimmt vom Krankenhaus benachrichtigt worden, die werden also wissen, wohin sie sich wenden müssen.«
    Brunetti sah auf die Uhr. Es war kurz vor eins, aber er bezweifelte, daß Franco Rossis Familie, falls er eine hatte, heute die üblichen Essenszeiten einhalten würde. Er wußte, daß der Tote im Katasteramt gearbeitet hatte und nach einem Sturz gestorben war. Darüber hinaus wußte er nur das wenige, was er aus ihrer kurzen Begegnung und dem noch kürzeren Telefongespräch hatte schließen können: daß Rossi pflichtbewußt und ängstlich war, fast der Inbegriff des pedantischen Bürokraten. Und er war, wie Lots Frau, zur Salzsäure erstarrt, als Brunetti ihm zugemutet hatte, auf die Terrasse hinauszutreten.
    Er ging die Barbaria delle Tole hinunter in Richtung San Francesco della Vigna. Rechts von ihm machte der Obstverkäufer, der mit der Perücke, gerade seinen Stand dicht, das heißt, er breitete ein grünes Tuch über die offenen Kisten mit Obst und Gemüse, und die Bewegung, mit der er das tat, erinnerte Brunetti beunruhigend an die, mit der er vorhin das Laken über Rossis Gesicht gebreitet hatte. Um ihn herum ging alles seinen normalen Gang: Die Leute eilten zum Mittagessen nach Hause, und das Leben ging weiter.
    Die Adresse war leicht zu finden; sie befand sich auf der rechten Seite des Campo, fast Tür an Tür mit wieder einem dieser neuen Immobilienbüros. Rossi, Franco stand eingraviert auf einem schmalen Messingschild neben der Klingel für die zweite Etage. Brunetti läutete, wartete, läutete noch einmal, aber nichts rührte sich. Daraufhin drückte er auf die Klingel darüber, jedoch mit demselben Ergebnis, weshalb er schließlich die darunter probierte.
    Nach ein paar Sekunden fragte eine Männerstimme über

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