Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
die Sprechanlage: »Ja, wer ist da?«
    »Polizei.«
    Es folgte das übliche Schweigen, dann sagte die Stimme: »Na gut.«
    Brunetti wartete auf das Klicken, das die große Haustür entriegeln würde, hörte jedoch statt dessen Schritte, und dann wurde die Tür von innen geöffnet. Vor ihm stand ein kleiner Mann, aber daß er klein war, fiel nicht sofort auf, denn er stand oben auf der hohen Stufe, von der die Bewohner zweifellos hofften, daß sie ihre Eingangsdiele über acqua-alta-Niveau heben würde. Der Mann hatte noch seine Serviette in der rechten Hand und betrachtete Brunetti mit jenem anfänglichen Mißtrauen, das dieser seit langem gewohnt war. Er trug eine starke Brille, und Brunetti bemerkte einen roten Klecks links neben der Krawatte, wahrscheinlich Tomatensoße.
    »Ja?« fragte der Mann, ohne zu lächeln.
    »Ich komme wegen Signor Rossi«, sagte Brunetti.
    Als der Mann den Namen hörte, wurde sein Gesichtsausdruck sanfter, und er beugte sich vornüber, um die Tür weiter zu öffnen. »Entschuldigen Sie, ich hätte Sie gleich hereinbitten sollen. Bitte, kommen Sie, bitte.« Er trat zur Seite, um auf dem schmalen Treppenabsatz Platz für Brunetti zu machen, und streckte die Hand aus, als wollte er sie Brunetti reichen. Als er merkte, daß sich darin noch seine Serviette befand, versteckte er sie rasch hinter dem Rücken.
    Von neuem beugte er sich vor und drückte die Tür mit der anderen Hand zu, dann drehte er sich wieder zu Brunetti um.
    »Bitte, kommen Sie mit«, sagte er und wandte sich zu einer offenen Tür auf halbem Korridor, genau gegenüber der Treppe, die zu den oberen Stockwerken führte.
    Brunetti blieb an der Tür stehen, damit der andere vor ihm eintreten konnte, und folgte ihm dann. Es war eine schmale Tür, kaum breiter als einen Meter, und dahinter legten zwei weitere Stufen Zeugnis von der ewigen Zuversicht der Venezianer ab, sie könnten die Gezeiten austricksen, die beständig an den Fundamenten der Stadt nagten. Das Zimmer, in das die Stufen führten, war sauber und ordentlich und erstaunlich hell für eine im piano rialzato gelegene Wohnung. Brunetti sah, daß im hinteren Teil der Wohnung eine Flucht von vier hohen Fenstern auf einen großen Garten jenseits eines breiten Kanals blickte.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich war gerade beim Essen«, sagte der Mann und warf seine Serviette auf den Tisch.
    »Lassen Sie sich von mir nicht stören«, beschwor ihn Brunetti.
    »Aber nein, ich bin ja so gut wie fertig«, erklärte der Mann. Auf seinem Teller lag noch eine große Portion Pasta, links daneben eine aufgeschlagene Zeitung. »Es macht nichts«, beteuerte er und winkte Brunetti zu einem Sofa, das in der Zimmermitte mit Blick zu den Fenstern stand. »Kann ich Ihnen etwas anbieten«, fragte er. »Un'ombra?«
    Nichts wäre Brunetti jetzt lieber gewesen als ein Gläschen Wein, aber er lehnte ab. Statt dessen gab er dem Mann die Hand und stellte sich vor.
    »Marco Caberlotto«, antwortete dieser.
    Brunetti nahm auf dem Sofa Platz, Caberlotto setzte sich ihm gegenüber. »Was ist denn mit Franco?« erkundigte er sich.
    »Sie wissen, daß er im Krankenhaus war?« fragte Brunetti, statt zu antworten.
    »Ja, ich habe es heute morgen im Gazzettino gelesen. Sobald ich fertig bin, gehe ich ihn besuchen«, sagte er mit einer Handbewegung zum Tisch, wo sein Mittagessen langsam kalt wurde. »Wie geht es ihm denn?«
    »Es tut mir leid, aber ich habe schlechte Nachrichten für Sie«, begann Brunetti mit der formelhaften Einleitung, die ihm in den vergangenen Jahrzehnten so vertraut geworden war. Als er sah, daß Caberlotto verstand, fuhr er fort: »Er ist nicht mehr aus dem Koma aufgewacht und heute morgen gestorben.«
    Caberlotto murmelte etwas, hob eine Hand an den Mund und preßte die Finger auf die Lippen. »Das wußte ich nicht. Der arme Junge.«
    Brunetti ließ ihm einen Moment Zeit und fragte dann leise: »Kannten Sie ihn gut?«
    Ohne darauf einzugehen, fragte Caberlotto: »Stimmt es, daß er gestürzt ist? Daß er gestürzt ist und sich dabei den Schädel gebrochen hat?«
    Brunetti nickte.
    »Gestürzt?« fragte Caberlotto noch einmal mit Nachdruck.
    »Ja, warum fragen Sie?«
    Wieder antwortete Caberlotto nicht direkt. »Ach, der arme Junge«, wiederholte er nur kopfschüttelnd. »Ich hätte nie geglaubt, daß so etwas je passieren könnte. Er war immer so vorsichtig.«
    »Sie meinen, bei seiner Arbeit?«
    Caberlotto sah Brunetti an und antwortete: »Nein, bei allem. Er war einfach... na ja, er

Weitere Kostenlose Bücher