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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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führte.
    Nachdem alle vom Boot herunter waren, drehte Vianello sich noch einmal um und sagte zu Fertile, er solle auf sie warten. Brunetti ging neben dem Polizisten her, der sie in Empfang genommen hatte, und die anderen folgten ihnen im Gänsemarsch durch die calle.
    Sie brauchten nicht weit zu gehen und hatten auch keinerlei Schwierigkeiten, das richtige Haus zu finden: Etwa zwanzig Meter weiter hatte sich vor einem Hauseingang, in dem ein Uniformierter mit verschränkten Armen stand, eine kleine Menschentraube gebildet.
    Als Brunetti näher kam, löste sich ein Mann aus der Menge, machte aber keine Anstalten, den Polizisten entgegenzugehen. Er stellte sich nur ein wenig abseits, stand dann mit den Händen in den Hüften da und beobachtete, wie sie herankamen. Er war groß, fast ein Gerippe, und hatte die schlimmste Säufernase, die Brunetti je gesehen hatte: entzündet, vergrößert, narbig und an der Spitze nahezu blau. Brunetti fühlte sich an die Gesichter auf dem Bild irgendeines niederländischen Meisters erinnert - stellte es Jesus dar, der sein Kreuz trug? -, abscheuliche, verzerrte Gesichter, die allem, was ihnen unter die bösartigen Augen kam, nur Schmerz und Unheil verhießen.
    Leise fragte Brunetti: »Ist das der Mann, der ihn gefunden hat?«
    »Ja, Commissario«, antwortete der Polizist. »Er wohnt im ersten Stock.«
    Sie gingen auf den Mann zu, der jetzt die Hände in die Taschen steckte und auf den Fersen zu wippen anfing, als ob er Wichtiges zu tun hätte und es der Polizei verübelte, daß sie ihn davon abhielt.
    Brunetti blieb vor ihm stehen. »Guten Morgen, Signore. Waren Sie das, der uns benachrichtigt hat?« fragte er.
    »Ja, das war ich. Wundert mich ja, daß ihr euch so schnell hierherbemüht habt«, sagte er in einem Ton, der so voller Haß und Feindseligkeit war wie sein Atem voll Alkohol und Kaffee.
    »Sie wohnen unter ihm?« fragte Brunetti gleichmütig.
    »Ja, seit sieben Jahren, und wenn dieser Scheißkerl von Vermieter glaubt, er kann mich mit einer Räumungsklage da rauskriegen, dann sag ich ihm, wohin er sich die stecken kann.« Er sprach im Tonfall der Giudecca, und wie so viele Bewohner dieser Insel schien er der Ansicht zu sein, daß Unflätigkeit zum Sprechen gehörte wie Luft zum Atmen.
    »Wie lange wohnt er denn schon hier?«
    »Jetzt wohnt er ja nicht mehr hier, oder?« fragte der Mann und bog sich vor Lachen, bis dieses in einen Hustenanfall überging.
    »Wie lange hat er hier gewohnt?« fragte Brunetti, nachdem der Mann endlich nicht mehr hustete.
    Der andere richtete sich auf und betrachtete Brunetti genauer. Brunetti seinerseits bemerkte die weißen Schuppen, die sich von der geröteten Haut im Gesicht seines Gegenübers schälten, und die gelblichen Augäpfel, die auf Hepatitis hindeuteten.
    »Ein paar Monate. Da müssen Sie den Vermieter fragen. Ich bin ihm nur manchmal im Treppenhaus begegnet.«
    »Bekam er Besuch?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte der Mann, plötzlich bockig. »Ich kümmere mich um meine eigenen Sachen. Außerdem war er ein Student, und mit solchen kleinen Scheißern rede ich sowieso nicht. Die bilden sich immer ein, sie wissen alles.«
    »Hat er sich so benommen?« fragte Brunetti.
    Der Mann überlegte eine ganze Weile; es schien ihn zu wundern, daß man hier offenbar von ihm verlangte, einen bestimmten Einzelfall daraufhin zu prüfen, ob er mit seinem allgemeinen Vorurteil übereinstimmte. Endlich antwortete er: »Nein, aber wie gesagt, ich habe ihn nur ein paarmal gesehen.«
    »Geben Sie diesem Polizisten bitte Ihre Personalien«, sagte Brunetti, schon im Weggehen, und zeigte auf den jungen Beamten, der sie am Anleger in Empfang genommen hatte. Dann ging er die zwei Stufen zur Haustür hinauf, wo der Polizist, der dort stand, vor ihm salutierte. Von hinten hörte er die Stimme des Mannes, den er soeben befragt hatte: »Marco hieß er.«
    Als Vianello ihm nachkam, schickte Brunetti ihn fort, die Nachbarn zu befragen. Vianello ging, und der andere Uniformierte trat vor. »Zweiter Stock, Commissario«, sagte er.
    Brunetti schaute durch das schmale Treppenhaus nach oben. Hinter ihm knipste der Polizist das Licht an, aber die schwache Birne schien Hemmungen zu haben, die allgemeine Verwahrlosung auch noch zu beleuchten, denn es wurde kaum heller. Farbe und Putz waren von den Wänden abgeblättert und von den Benutzern der Treppe auf beiden Seiten der Stufen zu kleinen Dünen zusammengeschoben worden. Hier und da waren die Dünen mit Zigarettenkippen

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