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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brieftasche nicht angesehen, nur die Abdrücke genommen.«
    Ein junger Polizist, einer von den neuen, deren Namen sich Brunetti so schlecht merken konnte, erschien in seiner Tür. Auf Brunettis einladende Handbewegung kam er herein und legte ihm die Brieftasche, die immer noch in dem Asservatenbeutel steckte, auf den Schreibtisch.
    Brunetti klemmte sich den Telefonhörer unters Kinn und nahm den Beutel. Während er ihn aufmachte, fragte er Bocchese: »Waren innen auch Fingerabdrücke?«
    »Ich sagte doch, das waren die einzigen«, antwortete der Techniker und legte auf.
    Auch Brunetti hängte ein. Ein Colonello der Carabinieri hatte einmal über Bocchese gesagt, er sei so gut, daß er Fingerabdrücke sogar noch auf so öligen Substanzen wie den Oberflächen von Politikerseelen finde, und deshalb gestand man ihm mehr Freiheiten zu als den meisten anderen, die in der Questura arbeiteten. Brunetti hatte sich längst an die ständige schlechte Laune des Mannes gewöhnt, war im Lauf der Jahre sogar stumpf dagegen geworden. Die Verdrießlichkeit wurde wettgemacht durch seine tadellose Arbeit, die schon manches Mal der vehementen Skepsis von Strafverteidigern standgehalten hatte.
    Brunetti öffnete den Beutel und ließ die Brieftasche auf seinen Schreibtisch gleiten. Rossi mußte sie jahrelang in der Gesäßtasche getragen haben, denn sie war ganz krumm. Das braune Leder war in der Mitte knittrig und an einer Ecke etwas abgescheuert, so daß darunter eine dünne graue Kordel zum Vorschein kam. Brunetti öffnete die Brieftasche und drückte sie flach auf seinen Schreibtisch. Ein paar Fächer auf der linken Seite enthielten vier Plastikkärtchen: zwei Kreditkarten, seinen Dienstausweis vom Ufficio Catasto und seine Carta Venezia, die ihn berechtigte, den für Ortsansässige niedrigeren Tarif in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bezahlen. Brunetti zog die Kärtchen heraus und betrachtete die Fotos auf den letzten beiden. Es waren Hologramme, die unsichtbar wurden, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel darauf fiel, aber sonst zeigten sie eindeutig Rossi.
    Auf der rechten Seite befand sich ein kleines Münzfach, das einen Messingverschluß hatte. Brunetti öffnete es und schüttelte das Kleingeld heraus. Es waren ein paar von den neuen Tausendlirestücken dabei, einige Fünfhundertlirestücke und je eines der drei verschieden großen Hundertlirestücke, die zur Zeit im Umlauf waren. Ob andere Leute es ebenso komisch fanden wie er, daß es sie in drei verschiedenen Größen gab? Wie war solcher Blödsinn zu erklären?
    Brunetti nahm sich die Geldscheinfächer vor und zog die Banknoten heraus. Sie waren penibel geordnet, die größten Scheine ganz hinten, dann die nächstkleineren bis hin zu den Tausendlirescheinen ganz vorn. Er zählte hundertsiebenundachtzigtausend Lire.
    Er spreizte die Fächer ganz weit auseinander, um zu kontrollieren, ob er vielleicht noch etwas übersehen hatte, aber da war nichts weiter. Er fuhr mit den Fingern in die Kartenfächer links und förderte ein paar unbenutzte Vaporettofahrscheine zutage, eine Rechnung aus einer Bar über dreitausenddreihundert Lire und ein paar Achthundertlire-Briefmarken. Auf der anderen Seite fand er noch eine Barrechnung, auf deren Rückseite eine Telefonnummer stand. Da sie nicht mit 52, 27 oder 72 anfing, nahm er an, daß es keine venezianische Nummer war, obwohl keine Vorwahl dabeistand. Das war alles. Keine Namen; keine Botschaft des Verstorbenen, die gelesen werden sollte, wenn ihm etwas zustieß; nichts von all den Dingen, die man im wirklichen Leben eben nie in den Taschen von Leuten fand, die möglicherweise durch gezielte Gewaltanwendung gestorben waren.
    Brunetti steckte das Geld wieder in die Brieftasche und diese wieder in den Beutel. Er zog das Telefon zu sich heran und wählte Dottor Rizzardis Nummer. Die Autopsie sollte inzwischen eigentlich fertig sein, und er war neugierig, mehr über diese seltsame Delle an Rossis Kopf zu erfahren.
    Der Arzt nahm beim zweiten Klingeln ab, und sie tauschten erst einmal höfliche Grußformeln aus. Dann fragte Rizzardi: »Rufen Sie wegen Rossi an?« Und als Brunetti das bestätigte, sagte Rizzardi: »Gut. Wenn Sie nämlich jetzt nicht mich angerufen hätten, dann hätte ich Sie angerufen.«
    »Warum?«
    »Wegen der Wunde. Oder besser der beiden Wunden. Am Kopf.«
    »Was ist damit?«
    »Eine ist flach, und es sind Betonkrümel darin. Er hat sie sich zugezogen, als er auf dem Boden aufschlug. Aber links davon ist noch

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