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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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er einmal mitbekommen hatte, wie respektvoll er mit den Toten umging, an denen er arbeitete, aber andererseits hatte er so etwas Humorloses an sich, daß es Brunetti schwerfiel, mehr für ihn zu empfinden als Achtung. Genau wie sein Vorgesetzter legte auch Guerriero Wert auf untadelige Kleidung, und so trug er heute einen grauen Wollanzug, der sein gutes Aussehen mit Eleganz krönte. Hinter ihm kamen zwei weißgekleidete Bahrenträger. Brunetti deutete mit dem Kopf zur Küche, und die Männer gingen mit ihrer zusammengerollten Trage hinein.
    »Nichts anfassen«, rief Guerriero ihnen unnötigerweise nach. Dann gab er Brunetti die Hand.
    »Eine Überdosis, wie ich höre«, sagte Guerriero.
    »Sieht ganz danach aus.«
    Kein Ton kam aus dem Nebenraum. Guerriero ging in die Küche. Brunetti konnte nicht umhin, auf der Tasche, die er bei sich trug, das Prada-Emblem zu erkennen.
    Er selbst blieb im Wohnzimmer, und da er ohnehin auf Guerriero warten mußte, ging er noch einmal zum Schreibtisch, stützte sich mit beiden Händen darauf und betrachtete erneut Marcos Zeichnungen. Er hätte über die Häschen gern gelächelt, aber es gelang ihm nicht.
    Guerriero hielt sich höchstens ein paar Minuten in der Küche auf. Als er herauskam, blieb er an der Tür stehen, um sich die Atemmaske abzunehmen. »Wenn es Heroin war«, sagte er, »und das war es meines Erachtens, dann muß er augenblicklich tot gewesen sein. Sie haben ihn ja gesehen; er hatte nicht einmal mehr die Zeit, sich die Nadel aus dem Arm zu ziehen.«
    »Was hätte ihn denn töten können?« fragte Brunetti. »Oder warum, wenn er doch süchtig war?«
    Guerriero überlegte, dann antwortete er: »Wenn es Heroin war, könnte es mit allem möglichen Unrat versetzt gewesen sein. Das wäre die eine Möglichkeit. Ansonsten, wenn er längere Zeit nichts mehr gespritzt hätte, könnte es auch einfach eine Überreaktion auf eine Dosis gewesen sein, die ihm gar nichts ausgemacht hätte, solange er das Zeug regelmäßig nahm. Das heißt, wenn er besonders reinen Stoff bekommen hat.«
    »Was vermuten Sie?« fragte Brunetti, und als er sah, daß Guerriero schon zu einer automatischen - und zweifellos vorsichtigen - Antwort ausholte, hob er die Hand und sagte: »Unter uns.«
    Guerriero dachte eine ganze Weile nach, bevor er darauf antwortete, und Brunetti konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der junge Arzt die beruflichen Konsequenzen abwägte, die es für ihn haben konnte, wenn herauskam, daß er eine inoffizielle Beurteilung von sich gegeben hatte. Endlich sagte er: »Ich denke, es war letzteres.«
    Brunetti drang nicht weiter in ihn, er stand nur da und wartete.
    »Ich habe nicht den ganzen Leichnam untersucht«, fuhr Guerriero fort. »Nur die Arme, aber da waren keine frischen Einstichstellen, allerdings sehr viele ältere. Wenn er sich in letzter Zeit Heroin gespritzt hätte, dann bestimmt in die Arme. Süchtige haben die Neigung, immer wieder dieselben Stellen zu benutzen. Demnach würde ich sagen, daß er seit ein paar Monaten runter von dem Zeug war.«
    »Und ist dann aber rückfällig geworden?«
    »Wie es aussieht, ja. Wenn ich ihn erst genauer untersucht habe, kann ich Ihnen mehr sagen, Commissario.«
    »Ich danke Ihnen, Dottore«, sagte Brunetti. »Nehmen Sie ihn jetzt mit?«
    »Ja. Ich habe meinen Leuten gesagt, sie sollen ihn in einen Sack tun. Wenn die Fenster offenbleiben, dürfte hier drinnen bald bessere Luft sein.«
    »Gut. Vielen Dank auch.«
    Guerriero winkte ab.
    »Wann können Sie die Autopsie machen?« fragte Brunetti.
    »Höchstwahrscheinlich morgen vormittag. Im Krankenhaus ist zur Zeit nicht viel los. Komisch, wie wenige Leute im Frühjahr sterben. - Übrigens«, fuhr Guerriero fort, während er seine Arzttasche öffnete und die Maske hineinstopfte, »ich habe seine Brieftasche und den Inhalt seiner Hosentaschen auf den Küchentisch gelegt.«
    »Danke. Und rufen Sie mich an, wenn irgend etwas ist, ja?«
    »Natürlich«, sagte Guerriero. Sie gaben sich die Hand, und der Arzt ging.
    Während dieses ganzen Gesprächs hatte Brunetti dauernd Geräusche aus der Küche gehört, und kaum war Guerriero gegangen, erschienen seine beiden Helfer, zwischen sich die nun entrollte Bahre mit ihrer eingewickelten Last darauf. Es kostete Brunetti einiges an Willenskraft, nicht darüber nachzudenken, wie sie ihre Fracht wohl durch das enge, gewundene Treppenhaus hinunterbringen würden. Die Männer nickten zu ihm herüber, hielten aber nicht an.
    Während ihre

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