Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Landi.«
    Aus der Leitung kam Schweigen. Brunetti sah den Mann im Geiste vor sich, wie er mit der Zeitung in der Hand am Telefon stand, den Blick zur Küche, wo seine Frau nach dem letzten friedlichen Essen aufräumte, das ihnen je vergönnt sein sollte.
    Landis Stimme wurde fast unhörbar, aber es gab nur eine Frage, die er gestellt haben konnte, und Brunetti setzte die fehlenden Wörter selbst ein: »Ist er tot?«
    »Ja, Signor Landi, ich bedaure sehr, es Ihnen sagen zu müssen. Er ist tot.«
    Wieder war es still, diesmal noch länger, dann fragte Landi: »Wann?«
    »Wir haben ihn heute gefunden.«
    »Wer?«
    »Die Polizei. Ein Nachbar hat angerufen.« Brunetti brachte es nicht über sich, auf die Einzelheiten einzugehen oder zu erwähnen, wieviel Zeit seit Marcos Tod schon vergangen war. »Er sagte uns, daß er Marco in letzter Zeit nicht mehr gesehen hätte und wir doch einmal in der Wohnung nachsehen sollten. So haben wir ihn dann gefunden.«
    »Drogen?«
    Die Autopsie hatte noch nicht stattgefunden. Die amtlichen Mühlen hatten die Umstände um den Tod des Jungen noch nicht gewürdigt, nicht gewogen und gewürdigt, und also noch kein Urteil zur Frage der Todesursache gefällt; folglich wäre es voreilig und verantwortungslos bis hin zur Tadelswürdigkeit, wenn ein Gesetzeshüter in dieser Sache seine eigene Meinung kundtat. »Ja«, sagte Brunetti.
    Der Mann am anderen Ende der Leitung weinte. Brunetti hörte das langgezogene, tiefe Keuchen, das verriet, wie ihm der Schmerz die Kehle zuschnürte und er nach Luft rang. Eine Minute verging. Brunetti hielt den Hörer vom Ohr ab und blickte nach links, wo auf einer Gedenktafel an der Wand die Namen der Polizeibeamten standen, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Er begann die Namen zu lesen, ihre Geburts- und Sterbedaten. Einer war erst zwanzig gewesen, so alt wie Marco.
    Über die Telefonleitung kam der gedämpfte Ton einer höheren Stimme, deren Lautstärke von Neugier oder Angst bestimmt war, doch dann brach sie ab, weil Landi offenbar die Hand über die Sprechmuschel legte. Wieder verging eine Minute. Dann kam Landis Stimme. Brunetti nahm den Hörer ans Ohr, aber er hörte Landi nur noch sagen: »Ich rufe zurück.« Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Während des Wartens dachte Brunetti darüber nach, welche Art von Gesetzwidrigkeit hier vorlag. Wenn Guerriero recht hatte und Marco gestorben war, weil sein Körper sich in der Zeit seiner Drogenabstinenz vom schweren Schock einer Heroininjektion entwöhnt hatte, was war es dann mehr als der Verkauf einer verbotenen Substanz? In welche Kategorie von Straftaten fiel es, Heroin an einen Abhängigen zu verkaufen, und wo war der Richter, der darin ein Verbrechen und nicht nur ein Vergehen sehen würde? Wenn aber das Heroin, das ihn tötete, mit einer tödlichen oder zumindest gefährlichen Beimischung gestreckt war, wie sollte man dann herausfinden, an welcher Station des weiten Weges von den Mohnfeldern des Ostens bis in die Venen des Westens diese Substanz hinzugefügt wurde, und von wem?
    Von welcher Seite er es auch betrachtete, Brunetti sah keine Chance, wie diese Tat ernsthafte juristische Konsequenzen haben könnte. Auch hielt er es für kaum wahrscheinlich, daß man je herausbekäme, wer dafür überhaupt verantwortlich war. Doch der junge Student, der die drolligen Häschen gemalt und den Witz besessen hatte, sie auf allen seinen Zeichnungen an allen möglichen Stellen zu verstecken, war darum nicht weniger tot.
    Brunetti stand auf und ging ans Fenster. Die Sonne brannte auf den Campo San Lorenzo herunter. Alle Bewohner des Altersheims waren der Aufforderung zum Mittagsschlaf gefolgt und hatten den Campo den Katzen und den paar Passanten überlassen, die ihn um diese Zeit überquerten. Brunetti stützte sich mit den Händen aufs Fensterbrett, beugte sich vor und spähte auf den Campo hinunter, als hielte er Ausschau nach einem Omen. Eine halbe Stunde später rief Landi an, um ihm zu sagen, daß er und seine Frau abends um sieben in Venedig ankommen würden, und zu fragen, wie sie zur Questura kämen.
    Als Landi bestätigte, daß sie mit dem Zug kommen wollten, versprach Brunetti, sie abzuholen und mit dem Boot zum Krankenhaus zu bringen.
    »Krankenhaus?« fragte Landi mit einem hoffnungslosen Fünkchen Hoffnung in der Stimme.
    »Entschuldigung, Signor Landi. Dorthin bringt man die Toten.«
    »Aha«, sagte Landi nur, und wieder brach er das Gespräch ab.
    Im Lauf des Nachmittags rief Brunetti einen Freund

Weitere Kostenlose Bücher