Brunetti 09 - Feine Freunde
belohnte seinen Witz mit einem erneuten herzhaften Lachen.
»Haben Sie schon eine Ahnung, welche es war?« fragte Brunetti, nur daran interessiert, wie Righetto mit dieser Frage umgehen würde, denn daraus würde wiederum zu entnehmen sein, wie er die ganze Ermittlung zu handhaben gedachte.
Righetto gestattete sich eine kleine Pause, die zweifellos nachdenklich wirken sollte, dann sagte er: »Nein. Wir haben die Frauen und auch ihre Männer verhört, aber sie können alle beweisen, daß sie zur Tatzeit woanders waren.«
»Stand nicht in den Zeitungen, es hätte sich um Mord durch einen bezahlten Killer gehandelt?« fragte Brunetti hörbar verwirrt.
Righettos Stimme wurde merklich kühler. »Als Polizist sollten Sie es eigentlich besser wissen und nicht glauben, was in den Zeitungen steht.«
»Natürlich«, antwortete Brunetti mit einem herzlichen Lachen, so als hätte er gerade von einem erfahreneren und klügeren Kollegen einen wohlverdienten Rüffel bekommen. »Sie meinen, es gab vielleicht noch eine weitere Frau?«
»Diesem Verdacht gehen wir gerade nach«, sagte Righetto.
»Passiert ist das Ganze doch in der Kanzlei, nicht wahr?« fragte Brunetti.
»Ja«, antwortete Righetto, nach Brunettis Anspielung auf eine weitere Frau nun wieder etwas freigebiger mit seinen Informationen. »Es bestand zwischen den Männern eine gewisse Ähnlichkeit: beide klein und dunkelhaarig. Es war ein regnerischer Tag; der Mörder befand sich auf dem Dach eines Hauses auf der anderen Straßenseite. Demnach ist kaum zu bezweifeln, daß er Cappelli für Gavini gehalten hat.«
»Aber wie kommt es dann zu diesen Gerüchten, Cappelli sei umgebracht worden, weil er sich mit Geldverleihern angelegt hat?« Brunetti mischte genug Skepsis in seine Stimme, um Righetto klarzumachen, daß er solchen Unsinn natürlich keine Sekunde glauben würde und vielleicht nur die richtige Antwort parat haben wollte, falls jemand, der noch naiver war als er und wirklich alles glaubte, was in den Zeitungen stand, danach fragen sollte.
»Wir sind als erstes dieser Möglichkeit nachgegangen, aber da ist nichts dran, einfach gar nichts. Also haben wir in diese Richtung nicht weiter ermittelt.«
»Cherchez la femme«, meinte Brunetti mit absichtlich falscher Aussprache des Französischen und lachte noch einmal.
Righetto belohnte ihn mit einem schallenden Lachen seinerseits, dann fragte er wie nebenbei: »Sie sagten, Sie haben bei Ihnen noch einen Todesfall? Mord?«
»Nein, nein, nach allem, was ich jetzt von Ihnen weiß, Magistrate«, antwortete Brunetti im einfältigsten Ton, den er zuwege brachte, »bin ich überzeugt, daß es da keinerlei Zusammenhang gibt. Womit wir es hier zu tun haben, ist gewiß ein ganz gewöhnlicher Unfall.«
16
W ie die meisten Italiener hing Brunetti dem Glauben an, alle Telefongespräche im Land würden mitgeschnitten und alle Faxe kopiert; anders als die meisten Italiener hatte er gute Gründe für diesen Glauben. Aber ob begründet oder nicht, spielte für das Verhalten der Leute kaum eine Rolle: Nie wurde am Telefon etwas wirklich Wichtiges besprochen, nichts, was für einen der Gesprächsteilnehmer belastend oder für irgendeine der staatlichen Behörden, der es mitzuhören gefiel, von Interesse hätte sein können. Man sprach in Geheimcodes, in denen »Geld« zu »Vasen« oder »Blumen« wurde, Anlagen oder Bankkonten zu »Freunden« im Ausland. Brunetti wußte nicht, wie weit verbreitet dieser Glaube und die aus ihm resultierende Vorsicht waren, aber er wußte genug, um seiner alten Freundin bei der Banca di Modena, als er sie anrief, ein Treffen zu einer Tasse Kaffee vorzuschlagen, statt ihr seine Frage direkt zu stellen.
Da die Bank sich auf der anderen Seite der Rialtobrücke befand, verabredeten sie sich zu einem Gläschen vor dem Mittagessen am Campo San Luca, der für beide auf halbem Weg lag. Es war für Brunetti ein weiter Umweg, den er da machen mußte, nur um ein paar Fragen zu stellen, aber wenn er Franca dazu bewegen wollte, offen mit ihm zu reden, mußte er sich mit ihr persönlich treffen. Er verließ die Questura, ohne irgend jemandem Bescheid zu sagen, und ging hinaus zum Bacino und von dort in Richtung San Marco.
Als er die Riva degli Schiavoni entlangging, blickte er automatisch nach links, wo er die Schleppdampfer zu sehen erwartete, und erschrak zuerst über deren Abwesenheit, dann über die Erinnerung, daß sie schon seit Jahren nicht mehr da waren und er das nur vergessen hatte. Wie konnte er
Weitere Kostenlose Bücher