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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nichts, außer daß es sie gab und daß sie sich in die Gesellschaft hineingefressen hatten wie Maden in totes Fleisch. Bestimmten Bakterienarten gleich, brauchten sie zum Gedeihen die Sicherheit eines luftlosen, dunklen Ortes, und gewiß gab es in dem Zustand der Einschüchterung, in den sie ihre Schuldner trieben, weder Licht noch Luft. In solcher Heimlichkeit mästeten sie sich an der Angst ihrer Schuldner, denen die unausgesprochen angedrohten Folgen verspäteter oder ausbleibender Zahlungen stets bewußt waren. Was Brunetti dabei bisher am meisten verwundert hatte, war, daß er weder Namen noch Gesichter, noch Vorgeschichten kannte, doch als er jetzt auf das immer noch leere Blatt Papier blickte, mußte er sich sagen, daß er nicht einmal die leiseste Ahnung hatte, wen er auch nur fragen könnte, wie er es anstellen mußte, sie ans Licht zu treiben.
    Jetzt fiel ihm doch noch ein Name ein, und er nahm das Telefonbuch, um die Nummer der Bank nachzuschlagen, in der sie arbeitete. Während er noch suchte, klingelte sein Telefon. Er meldete sich.
    »Dottore«, sagte Signorina Elettra, »ich habe Magistrate Righetto am Apparat, wenn Sie ihn jetzt gern sprechen möchten.«
    »Ja, Signorina. Stellen Sie ihn bitte durch.« Brunetti legte seinen Kugelschreiber hin und schob das Blatt Papier beiseite.
    »Righetto«, meldete sich eine tiefe Stimme.
    »Magistrate, hier ist Commissario Guido Brunetti aus Venedig. Ich rufe an, um zu fragen, was Sie mir über den Mord an Alessandro Cappelli sagen können.«
    »Warum interessieren Sie sich dafür?« fragte Righetto, und es klang nicht gerade sehr neugierig. Den Tonfall glaubte Brunetti vielleicht als südtirolerisch zu erkennen, jedenfalls aber norditalienisch.
    »Ich habe hier«, erklärte Brunetti, »einen Todesfall, der möglicherweise mit dem Ihren zusammenhängt, und darum wüßte ich gern, was Sie über Cappelli in Erfahrung gebracht haben.«
    Es folgte eine lange Pause, bis Righetto endlich sagte: »Es würde mich sehr wundern, wenn ein anderer Todesfall damit zusammenhinge.« Er wartete ganz kurz, um Brunetti Gelegenheit zu einer Zwischenfrage zu geben, doch als sie nicht kam, fuhr er fort: »Wie es aussieht, haben wir es nämlich hier mit einer Personenverwechslung zu tun, nicht mit Mord.« Righetto verstummte wieder kurz, dann korrigierte er sich: »Das heißt, es ist natürlich Mord. Aber die wollten nicht Cappelli umbringen, und wir sind uns nicht einmal sicher, ob der andere wirklich umgebracht oder vielleicht nur erschreckt werden sollte.«
    Brunetti fand es an der Zeit, nun doch etwas Interesse zu zeigen, und fragte: »Was hatte sich denn abgespielt?«
    »Sein Partner Gavini war's, auf den hatten sie es abgesehen«, erklärte der Richter. »Zumindest geht das aus unseren bisherigen Ermittlungen hervor.«
    »Inwiefern?« fragte Brunetti, jetzt offen neugierig.
    »Es hatte von vornherein nicht Hand noch Fuß, daß jemand Cappelli hätte umbringen wollen«, begann Righetto, und es klang, als wollte er Cappellis Stellung als erklärter Gegner der Zinswucherei keinerlei Bedeutung zukommen lassen. »Wir haben uns mit seiner Vergangenheit befaßt, sogar die Fälle unter die Lupe genommen, an denen er gerade arbeitete, aber es gibt keinerlei Hinweise auf eine irgendwie geartete Verquickung mit Leuten, denen so etwas zuzutrauen wäre.«
    Brunettis leises »Mhm« konnte man als ein Mittelding zwischen Verstehen und Zustimmung deuten.
    »Auf der anderen Seite«, fuhr Righetto fort, »wäre da sein Sozius.«
    »Gavini«, ergänzte Brunetti unnötigerweise.
    »Ja, Gavini«, sagte Righetto mit einem geringschätzigen Lachen. »Er ist hier in der Gegend wohlbekannt und steht im Ruf eines Schürzenjägers. Leider hat er die Angewohnheit, sich mit verheirateten Frauen einzulassen.«
    »Ah.« Brunetti quittierte diese Mitteilung mit einem welterfahrenen Seufzer, geimpft mit der zuträglichen Dosis männlicher Toleranz. »Das war's also?« fragte er, als gäbe es daran gar nichts zu zweifeln.
    »Scheint so. Allein in den letzten Jahren hatte er's mit vier verschiedenen Frauen, alle vier verheiratet.«
    »Armer Teufel«, sagte Brunetti. Er wartete gerade so lange, wie einer brauchen würde, um die unfreiwillige Komik des soeben Gesagten zu begreifen, und fügte dann mit einem raschen Lachen hinzu: »Vielleicht hätte er sich doch lieber mit einer begnügen sollen.«
    »Na ja, aber wie soll ein Mann sich da entscheiden?« gab der Untersuchungsrichter schlagfertig zurück, und Brunetti

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