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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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womöglich vor Gericht wiederholen, oder du müßtest sagen, woher du die Informationen hast.« Ehe er nachhaken konnte, fuhr sie fort: »Wenn es dagegen nur ein Gespräch unter Freunden ist, erzähle ich dir alles, was ich weiß, aber du mußt dir darüber klar sein, daß ich mich nie erinnern werde, so etwas gesagt zu haben, sollte ich je danach gefragt werden.« Sie lächelte nicht, als sie das sagte, und dabei gehörte Franca zu den Frauen, denen die Lebensfreude aus allen Poren strömte wie Musik aus einem Orchestrion.
    »So gefährlich sind die?« fragte Brunetti, dabei nahm er ihr leeres Glas und machte sich lang, um es neben seines auf den Tresen zu stellen.
    »Laß uns draußen weiterreden«, sagte sie. Auf dem Campo ging Franca immer weiter, bis sie links neben dem Fahnenmast vor den Schaufenstern der Buchhandlung stand. Ob Zufall oder Absicht, jedenfalls trennten sie mindestens zwei Meter von den Nächststehenden auf dem Campo, zwei alten Frauen, die auf ihre Stöcke gestützt dastanden und miteinander plauderten.
    Brunetti stellte sich neben sie. Das Licht stieg über die Häuser und machte ihre Spiegelbilder in der Scheibe sichtbar. Da das Bild unscharf war, hätte es sich bei dem Paar im Fenster ohne weiteres um die beiden Teenager handeln können, die sich hier vor Jahrzehnten oft mit Freunden auf einen Kaffee getroffen hatten.
    Die Frage kam ihm ohne Nachdenken über die Lippen: »Hast du wirklich solche Angst?«
    »Pietro ist fünfzehn«, antwortete sie in so gleichmütigem Ton, als ginge es um das Wetter oder die Fußballbegeisterung ihres Sohnes. »Warum wolltest du dich hier mit mir treffen, Guido?«
    Er lächelte. »Weil ich weiß, daß du eine vielbeschäftigte Frau bist, und ich weiß auch, wo du wohnst; da dachte ich, es wäre hier am praktischsten, denn da bist du gleich zu Hause.«
    »War das der einzige Grund?« fragte sie, und ihr Blick kehrte von dem gespiegelten Brunetti zu dem aus Fleisch und Blut zurück.
    »Ja, warum?«
    »Dann weißt du wohl wirklich nichts über sie, nein?« fragte sie, statt zu antworten.
    »Nein. Ich weiß nur, daß es sie gibt, und ich weiß, daß sie hier in der Stadt tätig sind. Das müssen sie ja wohl. Aber wir haben noch nie eine offizielle Beschwerde über sie bekommen.«
    »Und normalerweise ist nur die Guardia di Finanza für sie zuständig, nicht?«
    Brunetti zuckte die Achseln. Er hatte nur eine vage Vorstellung, wofür die Beamten der Guardia di Finanza alles zuständig waren. Er sah sie oft in ihren grauen Uniformen, geschmückt mit den lodernden Flammen einer vermeintlichen Gerechtigkeit, aber außer daß sie ein unterdrücktes Volk zu immer neuen Methoden der Steuerhinterziehung verleiteten, wußte er über sie kaum etwas.
    Da er seine Unwissenheit nicht auch noch in Worte fassen wollte, nickte er nur.
    Franca sah sich schweigend auf dem kleinen Campo um. Schließlich deutete sie mit dem Kinn zu dem Schnellrestaurant auf der anderen Seite. »Was siehst du da?«
    Brunetti blickte zu der Glasfassade hinüber, die dort fast die ganze Seite des kleinen Gevierts einnahm. Junge Leute gingen ein und aus; viele saßen an kleinen Tischchen, deutlich zu sehen durch die riesigen Scheiben.
    »Ich sehe den Untergang von zweitausend Jahren Eßkultur«, antwortete er lachend.
    »Und genau davor, was siehst du da?« fragte sie sachlich.
    Er guckte noch einmal hin, ein bißchen enttäuscht, weil sie über seinen Witz nicht gelacht hatte. Er sah zwei Männer in dunklen Anzügen, jeder mit einer Aktentasche in der Hand, miteinander reden. Links von ihnen stand eine junge Frau, die ihre Handtasche ungeschickt unter den Arm geklemmt hielt, während sie offenbar etwas in ihrem Adreßbuch nachzusehen und gleichzeitig eine Nummer in ihr telefonino zu tippen versuchte. Dahinter stand ein schäbig gekleideter Mann von vielleicht Ende Sechzig. Er war groß und sehr dünn und unterhielt sich gerade mit einer älteren Frau ganz in Schwarz. Sie war krumm vom Alter und umklammerte mit ihren kleinen Händen den Griff einer großen schwarzen Handtasche. Ihr Gesicht war lang und schmal, die Nase spitz - eine Kombination, die ihr in Verbindung mit der gebeugten Haltung eine gewisse Ähnlichkeit mit einem der kleineren Beuteltiere gab.
    »Ich sehe ein paar Leute tun, was man auf dem Campo San Luca eben so tut.«
    »Und das wäre?« fragte sie. Dabei sah sie ihn jetzt scharf an.
    »Man trifft sich zufällig oder nach Verabredung und redet miteinander, geht zusammen etwas trinken, wie

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