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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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dal Carlo offenbar nicht verstand, erklärte er: »Ich meine, sich bestechen zu lassen?«
    Fast rechnete er schon damit, daß dal Carlo antworten würde, er habe darüber noch nie nachgedacht, und er war sich nicht sicher, ob er sich dann noch würde beherrschen können, um nicht laut loszulachen. Immerhin befanden sie sich in einer städtischen Amtsstube. Aber der Ingenieur hielt sich zurück und sagte schließlich nur: »Ich muß es wohl für möglich halten.«
    Brunetti schwieg lange, so lange, daß dal Carlo sich endlich genötigt sah zu fragen: »Wozu dienen alle diese Fragen, Commissario?«
    »Wir sind nicht restlos davon überzeugt«, antwortete Brunetti, der es schon immer viel wirksamer gefunden hatte, im Plural zu sprechen, »daß Signor Rossis Tod ein Unfall war.«
    Diesmal konnte dal Carlo seine Überraschung nicht verbergen, wobei man nicht hätte sagen können, ob die Möglichkeit ihn überraschte oder der Umstand, daß die Polizei dahintergekommen war. Während ihm allerlei Gedanken durch den Kopf gingen, sah er Brunetti mit einem verschlagenen Blick an, der an Zecchino erinnerte.
    Die Erinnerung an den jungen Drogensüchtigen ließ Brunetti sagen: »Wir haben möglicherweise einen Zeugen dafür, daß es kein Unfall war.«
    »Einen Zeugen?« wiederholte dal Carlo so laut und ungläubig, als hätte er dieses Wort noch nie gehört.
    »Ja, jemanden, der in diesem Haus war.« Brunetti stand unvermittelt auf. »Haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe, Dottore«, sagte er und streckte die Hand aus. Dal Carlo, sichtlich irritiert ob der merkwürdigen Wende, die das Gespräch genommen hatte, erhob sich ebenfalls. Sein Händedruck war spürbar weniger herzlich als bei der Begrüßung.
    Erst als er die Tür öffnete, faßte er seine Überraschung endlich in Worte. »Ich kann das kaum glauben«, sagte er. »Es hätte ihn doch niemand umgebracht. Dafür gab es gar keinen Grund. Und dieses Gebäude steht leer. Wie kann dort jemand gesehen haben, was passiert ist?«
    Als weder Brunetti noch Vianello darauf antwortete, ging dal Carlo ins Vorzimmer. Ohne Signorina Dolfin, die an ihrem Computer arbeitete, im mindesten zu beachten, führte er die beiden Polizisten auf den Flur hinaus. Abschiedsworte hielt keiner der drei für angebracht.

21
    B runetti schlief nicht gut in dieser Nacht; immer wieder weckten ihn die Erinnerungen des Tages. Er machte sich klar, daß Zecchino ihn wegen des Mordes an Rossi vermutlich angelogen und viel mehr gesehen oder gehört hatte, als er zugab; warum wäre er sonst so ausweichend geworden?
    Die endlose Nacht brachte noch anderes angeschleppt: Pattas Weigerung, das Verhalten seines Sohnes als kriminell zu betrachten; das mangelnde Mitgefühl seines Freundes Luca für seine Frau; die allgemeine Inkompetenz, die ihn an jedem seiner Arbeitstage behinderte. Doch am meisten mußte er an die beiden jungen Mädchen denken: die eine derart vom Leben erniedrigt, daß sie sich an so einem heruntergekommenen Ort auf Sex mit Zecchino einließ, die andere zerrissen zwischen der Trauer um Marcos Tod und Gewissensbissen wegen ihrer Kenntnis der Umstände, die dazu geführt hatten.
    Lange Berufserfahrung hatte Brunetti alle Kavaliersempfindungen ausgetrieben, aber von einem peinigenden Mitleid für diese beiden Mädchen konnte er sich nicht freimachen. War die eine vielleicht dort oben gewesen, als er Zecchino begegnete? Er hatte es so eilig gehabt, aus diesem Haus zu kommen, daß er nicht mehr auf den Dachboden gegangen war, um zu sehen, ob sich da noch jemand aufhielt. Daß Zecchino die Treppe heruntergekommen war, hieß ja nicht, daß er das Haus hatte verlassen wollen; ebensogut konnte es sein, daß er nur den Geräuschen nachgehen wollte, die Brunetti beim Hereinkommen verursachte, und dabei hatte er das Mädchen einfach oben gelassen.
    Von dem anderen jungen Mädchen hatte Pucetti immerhin den Namen beigebracht: Anna Maria Ratti, die mit ihren Eltern und einem Bruder in Castello wohnte und Architektur studierte.
    Brunetti hatte es vor einiger Zeit vier Uhr schlagen hören, als er sich vornahm, noch am selben Vormittag zu dem Haus zurückzugehen und zu versuchen, Zecchino zum Reden zu bringen; kurz danach sank er in einen friedlichen Schlaf und erwachte erst wieder, als Paola schon zur Universität und die Kinder zur Schule gegangen waren.
    Nachdem er sich angezogen hatte, rief er in der Questura an, um zu sagen, daß er später kommen werde, dann ging er ins Schlafzimmer zurück, seine Pistole

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