Brunetti 09 - Feine Freunde
Mann und Frau auf diese Weise zu betrachten, aber es war nicht krankhafter als die Nadel, die da auf dem Fußboden lag, daneben ein paar weggeworfene Plastiktütchen, wahrscheinlich von der Art, wie man sie in Roberto Pattas Jackentasche gefunden hatte.
Brunetti ging wieder nach unten. Dort nahm er das telefonino aus der Tasche, das er heute vorsorglich mitgenommen hatte, und rief in der Questura an, um zu sagen, was er gefunden hatte und wo er zu finden sei. Die Stimme des Polizisten in ihm wollte ihm befehlen, wieder in das Zimmer hinaufzugehen, in dem die beiden jungen Menschen lagen, um zu sehen, was es sonst noch zu entdecken gab. Er zog es aber vor, sich gegenüber dieser Stimme taub zu stellen, und ging statt dessen auf die andere Straßenseite, um dort in der Sonne auf die anderen zu warten.
Als sie endlich kamen, schickte er sie nach oben, ohne der Versuchung zu erliegen, ihnen zu sagen, daß sie ja nun, da keine Handwerker im Haus seien, mit der Spurensicherung am Tatort fortfahren könnten. Von billigem Spott hatte jetzt niemand etwas, und die Leute würden auch dann nichts dazulernen, wenn sie jetzt erfuhren, daß sie letztes Mal hereingelegt worden waren.
Er fragte, wen sie für die Leichenschau bestellt hätten, und war froh, zu hören, daß es Rizzardi war. Er rührte sich nicht vom Fleck, während die Männer ins Haus gingen, und als zwanzig Minuten später der Pathologe kam, stand er immer noch da. Zur Begrüßung nickten sie einander nur zu.
»Schon wieder einer?« fragte Rizzardi.
»Zwei«, sagte Brunetti. Dabei wandte er sich dem Haus zu und ging voraus.
Die beiden Männer fanden ohne weiteres nach oben, denn inzwischen waren alle Fensterläden offen, und es fiel genug Licht herein. Am Kopfende der Treppe angekommen, wurden sie wie die Motten von den grellen Lichtern der Kriminaltechniker angezogen, die das Zimmer und den Korridor erhellten und sie aufforderten, hinzugehen und sich erneut davon zu überzeugen, wie zerbrechlich der menschliche Körper und wie eitel alle Hoffnung war.
Im Zimmer angekommen, ging Rizzardi zu den beiden Leichen und betrachtete sie zunächst von oben. Dann zog er ein Paar Gummihandschuhe an und bückte sich, um zuerst den Hals des Mädchens, anschließend den des Jungen zu befühlen. Er stellte seine Ledertasche auf den Boden, ging neben dem Mädchen in die Hocke, griff über sie hinweg und rollte sie von der anderen Leiche herunter, so daß sie auf den Rücken zu liegen kam. Da lag sie nun und starrte an die Decke, und auf einmal glitt die eine zerschlagene Hand über ihren Körper hinweg und klatschte auf den Boden, was Brunetti erschreckte, denn er hatte es vorgezogen wegzusehen.
Jetzt ging er näher, stellte sich neben Rizzardi und blickte auf die Frau hinunter. Ihr kurzes, mit Henna dunkelrot gefärbtes Haar klebte fettig und verdreckt an ihrem Kopf. Er stellte fest, daß die Zähne, die sich durch den Schlitz ihres blutigen Mundes zeigten, ebenmäßig und weiß waren. Um ihren Mund herum klebte geronnenes Blut, obwohl der Blutstrom aus ihrer zerschlagenen Nase offenbar nach oben und in ihre Augen geflossen war. Ob sie hübsch gewesen war? Oder unansehnlich?
Rizzardi faßte Zecchinos Kinn und drehte den Kopf des Jungen ins Licht. »Beide wurden durch Schläge auf den Kopf getötet«, sagte er, wobei er auf eine Stelle links an Zecchinos Stirn zeigte. »Das ist nicht leicht, man braucht dazu sehr viel Kraft. Oder muß sehr oft zuschlagen. Und es ist kein schneller Tod. Aber wenigstens haben sie nach den ersten Schlägen nicht mehr viel gefühlt.« Er betrachtete wieder das Mädchen und drehte ihr Gesicht zur Seite, um sich eine dunkle Delle an ihrem Hinterkopf näher anzusehen. Dann zeigte er auf zwei Druckstellen an ihren Oberarmen. »Ich würde sagen, man hat sie festgehalten, während auf sie eingeschlagen wurde - mit einem Stück Holz vielleicht, oder mit einem Rohr.«
Keiner von beiden hielt dazu einen Kommentar für nötig oder glaubte hinzufügen zu müssen: »Wie bei Rossi.«
Rizzardi erhob sich, zog die Handschuhe aus und steckte sie in seine Jackentasche.
»Wann werden Sie dazu kommen?« war die einzige Frage, die Brunetti einfiel.
»Heute nachmittag, nehme ich an.« Rizzardi fragte Brunetti wohlweislich nicht, ob er dabeisein wolle. »Wenn Sie mich nach fünf anrufen, müßte ich Ihnen schon etwas sagen können.« Ehe Brunetti sich dazu äußern konnte, fügte Rizzardi gleich hinzu: »Aber viel wird es nicht sein - nicht viel mehr, als was
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