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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wir hier sehen.«
    Nachdem Rizzardi fort war, begannen die Kriminaltechniker mit ihrer makabren Hausputzparodie: Sie fegten und wischten, hoben kleine Gegenstände auf, die zu Boden gefallen waren, und sorgten für deren sichere Aufbewahrung. Brunetti überwand sich, die Taschen der beiden jungen Leute zu durchsuchen, zuerst an den abgelegten Kleidungsstücken auf und neben den Matratzen, dann, nachdem er von Del Vecchio ein Paar Gummihandschuhe in Empfang genommen hatte, an den Sachen, die sie noch anhatten. In der Brusttasche von Zecchinos Hemd fand er drei weitere Plastiktütchen, alle mit einem weißen Pulver darin. Er gab sie an Del Vecchio weiter, der sie sorgsam beschriftete und zu den anderen Beweisstücken tat.
    Zu Brunettis Erleichterung hatte Rizzardi den beiden Toten die Augen geschlossen. Zecchinos nackte Beine erinnerten ihn an die Fotos von jenen streichholzdürren Gestalten, die vor den Toren der Konzentrationslager gestanden hatten: nur Haut und Sehnen, fast keine Muskeln. Und wie knotig seine Knie waren. Ein vorstehender Hüftknochen war so dünn wie ein Messer. Rote Pusteln bedeckten die Oberschenkel, aber Brunetti hätte nicht sagen können, ob es eiternde Narben alter Einstiche waren oder die Symptome einer Hautkrankheit. Das Mädchen war zwar auch erschreckend mager und hatte so gut wie keine Brüste, aber sie war nicht ganz so ein Knochengestell wie Zecchino. Bei dieser Überlegung dachte Brunetti unwillkürlich daran, wie diese beiden Menschen nun bald nur noch Gerippe sein würden, und er wandte sich ab und ging die Treppe hinunter.
    Da dieser Teil der Ermittlungen nun wirklich in seine Zuständigkeit fiel, war es das mindeste, was er für die Toten tun konnte, dazubleiben, bis die Leichen weggeschafft waren und die Leute von der Spurensicherung sich überzeugt hatten, daß alles gefunden, eingesammelt und untersucht war, was der Polizei bei der künftigen Suche nach den Mördern nützlich sein könnte. Er ging bis ans Ende der calle und blickte hinüber zu dem Garten auf der anderen Seite, froh, daß Forsythien es doch immer wieder schafften, fröhlich auszusehen, und wenn sie sich noch so hastig herausgeputzt hatten.
    Sie würden jetzt natürlich herumfragen müssen, die Gegend abklappern nach irgendwem, der gesehen hatte, wie jemand in die calle oder gar ins Haus gegangen war. Als er sich umdrehte, sah er schon einen kleinen Menschenauflauf am anderen Ende der calle, dort, wo sie sich zu einer größeren Straße hin öffnete, und ging darauf zu, die ersten Fragen bereits im Kopf.
    Wie erwartet, hatte niemand etwas gesehen, weder heute noch überhaupt in den letzten Wochen. Niemand hatte auch nur geahnt, daß man in dieses Haus hineinkam. Niemand war je Zecchino begegnet oder konnte sich an ein Mädchen erinnern. Da es keine Möglichkeit gab, sie zum Reden zu zwingen, hielt Brunetti sich erst gar nicht damit auf, ihnen nicht zu glauben; er wußte eben nur aus langer Erfahrung, daß die meisten Italiener sich im Umgang mit der Polizei an wenig mehr als ihre eigenen Namen erinnerten.
    Weitere Fragen hatten Zeit bis nach dem Mittagessen oder bis zum Abend, wenn man damit rechnen konnte, die Leute, die in dieser Gegend wohnten, zu Hause anzutreffen.
    Aber er wußte schon, daß niemand zugeben würde, etwas gesehen zu haben. Es würde sich schnell herumgesprochen haben, daß in dem Haus zwei Drogenabhängige gestorben waren, und nur sehr, sehr wenige Menschen würden ihren Tod als etwas Außergewöhnliches betrachten; den meisten wäre es zuviel der Umstände, sich deswegen von der Polizei verhören zu lassen. Warum sich stundenlang einer Behandlung aussetzen, als wäre man tatverdächtig? Warum es riskieren, daß man sich womöglich von der Arbeit abmelden mußte, um sich weitere Fragen stellen zu lassen oder sogar vor Gericht zu erscheinen?
    Brunetti wußte, daß die Öffentlichkeit der Polizei alles andere als Sympathie entgegenbrachte; er wußte auch, wie schlecht die Polizei oft Leute behandelte, egal ob sie als Verdächtige oder als Zeugen in die Ermittlungen gerieten. Jahrelang hatte er seinen Untergebenen beizubringen versucht, daß man mit Zeugen umzugehen hatte wie mit Leuten, die der Polizei helfen wollten, gewissermaßen wie mit Kollegen, aber dann kam er an den Verhörzimmern vorbei und hörte, wie dort die Leute eingeschüchtert, bedroht und beleidigt wurden. Kein Wunder, daß alle Welt schon bei dem bloßen Gedanken, der Polizei Informationen geben zu sollen, das Weite suchte; er

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