Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune
Kabel gesehen und ist in seine Werkstatt gegangen, um etwas Passendes zu suchen, dann ist er wiedergekommen und hat mir beim Aus- und Einbau geholfen.«
»Hat er gemerkt, was Sie gemacht hatten?«
»Wahrscheinlich. Ich hatte jemanden zu finden gehofft, der nicht viel von Motoren versteht, jedenfalls weniger als ich. Aber Fidele hat bestimmt gesehen, was ich gemacht hatte. Egal. Ich bin mit ihm in die Bar gegangen, um ihm zu danken, und er hat mir gern etwas über sie erzählt.«
»Über die Bottins?« fragte Brunetti.
»Ja.«
»Und was sagt er?«
Es war interessant für Brunetti zu beobachten, wie Bonsuan sich von den Informationen, die er hatte beschaffen können, gleichzeitig distanzierte. Sie waren etwas für Brunetti oder Vianello, die wollten das haben. Wahrscheinlich war das nichts weiter als Bonsuans Art, sich gegenüber dem anderen Fischer loyal zu verhalten, weil er dieser Zunft doch so bald schon wieder angehören wollte.
»Egal welchen Grund Sie finden, es war der Vater«, erklärte Bonsuan abschließend.
»Wer hat dir das gesagt?« fragte Vianello.
Im selben Augenblick fragte Brunetti: »Was hat er denn getan?«
Bonsuan beantwortete beide Fragen zugleich mit einem Achselzucken, dann sagte er: »Keiner hat mir Genaueres gesagt, aber es war klar zu erkennen, daß ihn keiner mochte. Meist versuchen sie doch wenigstens so zu tun als ob, wenn sie mit einem Fremden wie mir reden. Aber nicht bei Bottin. Ich vermute, er hat irgendwas verbrochen, aber das ist nur so ein Gefühl. Keine Ahnung, was es gewesen sein könnte, aber nach meinem Eindruck war er für sie nicht mehr einer der Ihren.«
»Weil er seine Frau schlecht behandelt hat?« fragte Brunetti.
»Nein«, antwortete Bonsuan mit einem energischen Kopfschütteln. »Sie war von Murano, sie galt nichts.« Und damit war ihr Menschsein ebenso abgetan wie die Frage.
Ein langes Schweigen folgte. Drei Kormorane schwirrten vorbei und platschten ein gutes Stück vor der Küste ins Wasser. Dort schwammen sie eine Weile umher, fast als berieten sie sich untereinander, wo die Fische wohl waren, dann tauchten sie so elegant unter, daß sie kaum die Wasseroberfläche in Bewegung brachten, und waren verschwunden. Brunetti, der automatisch die Luft anhielt, als er sie untertauchen sah, mußte dreimal aus- und tief wieder einatmen, bevor der erste von den Vögeln wie ein hochschnellender Korken wieder auftauchte, gefolgt von den beiden anderen. »Fahren wir mal nach Malamocco rüber«, sagte er im Aufstehen.
Der Bootsmotor sprang auf Anhieb an. Vianello warf die Leine los, und Bonsuan legte ab und fuhr in einem weiten Bogen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Er steuerte dicht an der schmalen Halbinsel zu ihrer Rechten vorbei und hielt auf Malamocco zu. Als sie an den Kanal kamen, der in die Adria hinausführte, beugte Brunetti sich vor und tippte dem Bootsführer auf die Schulter. Bonsuan drehte sich zu ihm um, und Brunetti zeigte nach links, wo er in der Ferne dicken Qualm aufsteigen sah. »Was ist das?« fragte er.
Bonsuan hielt sich die Hand über die Augen und blickte in die angezeigte Richtung. »Marghera«, sagte er.
Da er aber nichts von Interesse sah, richtete der Bootsführer seine Aufmerksamkeit wieder auf das Wasser vor ihnen. Plötzlich schaltete er in den Leerlauf, dann schnell auf Vollgas rückwärts, um das Boot zu stoppen. Brunetti, der immer noch den Ursprung der Qualmwolken zu orten versuchte, hörte den Motor aufheulen und drehte sich um.
»Maria Vergine«, entfuhr es ihm, als er rechts von ihnen ein riesiges Schiff erblickte, unendlich hoch, unendlich drohend. »Was ist denn das?« fragte er Bonsuan. Obwohl sie noch einige hundert Meter entfernt waren, mußte er den Kopf heben und sah dennoch nur Schiffswand mit dem Namen der Reederei darauf - Plimsoll Line - sowie die linke Seite der verglasten Brücke, die in die Höhe ragte wie ein Kirchturm.
»Ein Tanker«, antwortete Bonsuan. Er hätte ebensogut »Lustmörder« oder »Brandstifter« sagen können, so wütend klang es.
Nachdem ihr eigener Motor verstummt war, umfing sie nur noch das Brüllen, das von dem Tanker kam. Das Universum verwandelte sich in einen einzigen Höllenlärm, der auf sie prallte wie die Druckwelle einer Explosion. Unwillkürlich hielten alle drei sich die Ohren zu, bis der Tanker an ihnen vorbei war und seinen Weg durch den Canale dei Petroli zu den Fabriken auf dem Festland fortsetzte. Seine Bugwelle erfaßte jetzt das Polizeiboot und brachte es derart zum
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