Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune
Schaukeln, daß die drei sich an der Reling festhalten mußten und wie Clowns auf dem Deck herumhüpften.
Brunetti beugte sich über die Reling, die er mit beiden Händen umklammert hielt, und holte einmal tief Luft. Sein Blick fiel auf das Wasser unter ihnen, und er sah kleine, knopfgroße Kleckse an der Oberfläche. Es waren nur wenige, und er hätte nicht sagen können, ob sie nicht schon dagewesen waren, bevor das Schiff kam.
Bonsuan brachte den Motor wieder auf Touren, und schweigend fuhren sie weiter nach Malamocco.
12
D ie Fahrt hätten sie sich sparen können, denn an der Adresse, die der Wirt ihnen genannt hatte, fehlte von Giacomini jede Spur. Es war schon zu spät am Tag, um noch nach Chioggia zu fahren, weshalb Brunetti beschloß, sich telefonisch mit der dortigen Polizei in Verbindung zu setzen. Also befahl er Bonsuan, sie zur Questura zurückzubringen.
Ob es der Anblick des Tankers oder die kleinen dunklen Flecken waren, die sie auf dem Wasser gesehen hatten, jedenfalls war das Ganze ihnen so aufs Gemüt geschlagen, daß sie auf der Rückfahrt kaum noch redeten. Immer noch hob das Tageslicht nacheinander die Myriaden Schönheiten der Stadt hervor, besonders für den, der sich ihr von der See näherte, wie es sich gehörte. Es war später Nachmittag, und die Sonne brannte noch immer auf sie herab; Vianello sagte etwas von Sonnencreme, die er aufzutragen vergessen habe, aber Brunetti ging nicht darauf ein.
Als sie vor der Questura anlegten, sah Brunetti, daß Pucetti an diesem Nachmittag Wachdienst hatte, und der Anblick des jungen Beamten brachte ihn auf eine Idee. Pucetti salutierte, als sie vom Boot kamen. Brunetti sagte zu Vianello, er solle die Polizei von Chioggia anrufen und fragen, ob dort etwas über den Vorfall zwischen Scarpa und Bottin bekannt sei; er werde in seinem Dienstzimmer auf ihn warten, aber zuvor wolle er noch ein Wörtchen mit Pucetti reden.
»Pucetti«, begann Brunetti, »für wie lange sind Sie hier auf Wache eingeteilt?«
»Die ganze Woche, Commissario. Nächste Woche habe ich dann Nachtstreife.«
»Hätten Sie Interesse an einem Sondereinsatz?«
Das Gesicht des jungen Mannes leuchtete auf. »O ja, Commissario.«
Brunetti nahm wohlwollend zur Kenntnis, daß Pucetti sich nicht über den Wachdienst beschwerte: daß man da den ganzen Tag nur herumstehe und nichts weiter zu tun habe, als Türen aufzuhalten und gelegentliche Streitereien zwischen den Leuten zu schlichten, die vor den diversen Zimmern Schlange standen.
»Gut, dann lassen Sie mich mal kurz die Dienstpläne prüfen gehen«, sagte Brunetti und setzte sich in Bewegung, aber schon nach zwei Schritten drehte er sich noch einmal nach Pucetti um. »Haben Sie schon einmal als Kellner gearbeitet?«
»Ja, Commissario«, antwortete Pucetti. »Mein Schwager hat eine Pizzeria in Castello, da arbeite ich manchmal an Wochenenden.« Wieder stellte Pucetti zu Brunettis Freude keine Fragen.
»Gut. Bin gleich wieder da.«
Er ging unverzüglich zu Signorina Elettra, die bei seinem Eintreten gerade ein paar Forsythienzweige in einer Venini-Vase arrangierte. »Gehört die Ihnen?« fragte er, wobei er auf die Vase zeigte.
»Nein, Commissario, sie gehört der Questura. Die andere, die ich sonst immer nehme, ist gestohlen worden, da mußte ich Ersatz beschaffen.«
»Gestohlen?« fragte er. »Aus der Questura?«
»Einer der Hausmeister hat sie in der Toilette ausgespült und dort vergessen. Und dann ist sie verschwunden.«
»Aus der Questura?«
»Auf diese hier werde ich besser aufpassen«, versprach sie, während sie noch einen gebogenen Zweig hineinsteckte. Brunetti hatte einen Freund, der bei Venini arbeitete, und wußte, was so eine Vase kostete: nicht unter drei Millionen Lire.
»Wie kommt es denn, daß die Questura solche Sachen kauft?« fragte er, behutsam seine Worte wägend.
»Büroausstattung.« Sie steckte den letzten Zweig hinein und trat beiseite, damit er die Vase für sie vom Boden aufheben konnte. Mit einer lässigen Handbewegung zeigte sie zu einer Stelle auf dem Fensterbrett, und sanft stellte Brunetti sie genau dort ab, wo sie hinzeigte.
»Ist Pucetti Ihnen schlau genug?« fragte er.
»Dieser reizende junge Mann mit dem Schnauzbärtchen?« fragte sie in einem Ton, der den Umstand, daß Pucetti höchstens fünf Jahre jünger sein konnte als sie, gänzlich ignorierte. »Der mit der russischen Freundin?« fügte sie noch hinzu.
»Ja. Ist er Ihnen schlau genug?«
»Zu welchem Zweck?« fragte sie
Weitere Kostenlose Bücher