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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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witterte -, sich endlich einmal zu verhalten wie ein guter Polizist und zu begreifen, wann ein Vorschlag in Wahrheit ein Befehl war. Er hohe tief Luft und nahm einen neuen Anlauf. »Also laut Aussage der Zeugen, die der Tenente befragt hat, war der Junge hochgradig labil, was eindeutig für Selbstmord spricht.«
    »Das deckt sich auch mit dem Obduktionsbefund«, bestätigte Brunetti verbindlich.
    »Ja, ich weiß.« Ehe Brunetti danach fragen konnte, fuhr Patta fort: »Ich hatte zwar noch keine Zeit, ihn gründlich zu lesen, aber die Zusammenfassung läßt keinen Zweifel daran, daß es Selbstmord war.«
    Brunetti konnte sich unschwer ausrechnen, wer diese Zusammenfassung erstellt hatte; unklar blieb nur, warum Tenente Scarpa sich in einem Fall engagierte, für den er gar nicht zuständig war.
    »Hat der Tenente noch weitere Anhaltspunkte genannt?« fragte Brunetti, sehr darauf bedacht, nur mäßig interessiert zu erscheinen.
    »Nein. Wieso?«
    »Ach, ich dachte nur, wenn Scarpa sich seiner Sache so sicher ist, dann können wir den Eltern des Jungen ja mitteilen, daß die Ermittlungen abgeschlossen sind.«
    »Sie haben doch bereits mit ihnen gesprochen, nicht wahr?«
    »Vor ein paar Tagen, ja. Aber wie Sie sich erinnern werden, Vice-Questore, baten Sie mich, dafür Sorge zu tragen, daß unsere Ergebnisse hieb- und stichfest sind, damit der Vater, der anderen staatlichen Stellen ja schon die größten Scherereien bereitet hat, nichts an unserer Arbeit auszusetzen findet.«
    »Sie spielen auf den Moro-Report an?«
    »Ganz recht. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sollte Moro keine Handhabe bekommen, unsere Ermittlungen zum Tod seines Sohnes einer ähnlichen Überprüfung zu unterziehen.« Brunetti hielt inne, um die Wirkung seiner Worte abzuschätzen, und als Patta erste Anzeichen von Unbehagen erkennen ließ, setzte er noch eins drauf. »Wie es scheint, genießt Dottor Moro das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung, was bedeutet, daß eine Beschwerde von ihm auf breites Medienecho stoßen würde.« Hier gestattete sich der Commissario ein gleichmütiges Schulterzucken.
    »Aber wenn Tenente Scarpa sich vergewissert hat, daß die Beweislage ausreicht, um die Eltern vom Selbstmord ihres Sohnes zu überzeugen, dann brauche ich den Fall wohl nicht weiterzuverfolgen.« Brunetti schlug sich geschäftig auf die Schenkel und erhob sich rasch, schon auf dem Sprung zu neuen Aufgaben, jetzt, da sein Kollege Scarpa den Fall Moro so zufriedenstellend abgeschlossen hatte.
    »Nun ja«, meinte Patta gedehnt, »vielleicht wäre es voreilig anzunehmen, daß die Sachlage so schlüssig ist, wie Tenente Scarpa glauben möchte.«
    Doch so leicht wollte Brunetti ihn nicht davonkommen lassen. »Verzeihen Sie, Vice-Questore, aber ich verstehe nicht ganz«, entgegnete er scheinheilig, gespannt, wie weit Patta wohl gehen würde, um sich von Scarpas Übereifer zu distanzieren. Aber Patta sagte erst einmal gar nichts, und so tastete sich Brunetti, kühn geworden, weiter vor: »Gibt es irgendwelche Zweifel wegen Scarpas Zeugen?« Er mußte sich gewaltig zusammennehmen, um das letzte Wort ohne Ironie auszusprechen. Da Patta immer noch schwieg, fragte Brunetti rundheraus: »Was genau hat er Ihnen berichtet, Signore?«
    Patta forderte Brunetti mit einer Handbewegung auf, wieder Platz zu nehmen, und lehnte sich seinerseits, das Kinn in die Hand gestützt, entspannt im Sessel zurück - zweifellos eine jener ostentativ unbedrohlichen Posen, die auf Managementseminaren einstudiert wurden, um Solidarität mit Untergebenen zu demonstrieren. Jetzt lächelte der Vice-Questore, dann rieb er sich die linke Schläfe und lächelte wieder. »Ich meine, der Tenente ist vielleicht zu sehr darauf bedacht, dem Wunsch der Eltern nach einem zweifelsfreien Bescheid nachzukommen. Fest steht, daß seitens der Schüler zu hören war, Moro sei in den Tagen vor seinem Tod nicht ganz er selbst gewesen. Aus der nötigen Distanz betrachtet, könnte man dem Tenente vorhalten, daß es vielleicht etwas übereilt war, daraus den Beweis für einen Selbstmord abzuleiten«, räumte Patta ein, fügte dann aber rasch hinzu: »Obwohl ich überzeugt bin, daß er recht hat.«
    »Konnten die Schüler beschreiben, was sich an Moros Verhalten geändert hatte?« Bevor Patta darauf antworten konnte, schob Brunetti eine zweite Frage nach. »Und um wen handelt es sich eigentlich, ich meine, wie hießen die Zeugen?«
    »Ich weiß nicht, ob Scarpa Namen genannt hat«, antwortete Patta.
    »Dann

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