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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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für einen Eindruck?«
    »Ich wünschte, ich könnte sagen, sie waren verängstigt, so wie Ruffo, als ich ihn das letzte Mal sprach. Aber nichts dergleichen. Sie schienen regelrecht empört darüber, daß ich ihnen Fragen stellte, und taten so, als hätte ich gar kein Recht, mit ihnen zu sprechen.« Der junge Polizist zuckte hilflos die Achseln. »Ich meine, sie sind alle sieben oder acht Jahre jünger als ich, aber sie behandeln mich wie einen grünen Jungen oder wie jemanden, der ihnen zu gehorchen hat.«
    »Wie zum Beispiel ein gemeiner Soldat?« fragte Brunetti.
    Pucetti war so verwirrt, daß er ihm nicht gleich folgen konnte. »Verzeihen Sie, Signore?«
    »Als ob sie es mit einem gemeinen Soldaten zu tun hätten. Haben die Kadetten Sie so behandelt?«
    Pucetti nickte. »Ja, ich denke schon - als ob ich ihnen Gehorsam schulden würde und nicht das Recht hätte, Fragen zu stellen.«
    »Aber das erklärt noch nicht, warum keiner von denen reden will«, unterbrach Vianello.
    »Dafür wüßte ich nur einen Grund«, sagte Brunetti.
    Bevor Vianello sich danach erkundigen konnte, platzte Pucetti heraus: »Weil sie alle unter einer Decke stecken und uns nicht an Ruffo heranlassen wollen.«
    Und wieder einmal belohnte Brunetti den jungen Polizisten mit einem anerkennenden Lächeln.
    Um drei Uhr nachmittags saßen Brunetti und seine Begleiter auf halbem Weg zwischen Venedig und Padua, am Rande eines kleinen Ortes namens Dolo, in einem zivilen Polizeifahrzeug, das in hundert Meter Entfernung von dem Bauernhof parkte, in dem Giuliano Ruffo zu Hause war. Das langgezogene, niedrige Gehöft mit der angrenzenden großen Scheune lag, abgeschirmt von einem Pappelstreifen, in einer Talmulde. Den Kiesweg, der zum Haus führte, hatten die jüngsten Regenfälle in eine Schlammpiste verwandelt, auf der sich vereinzelt welke Grasbüschel und matschige Pfützen breitmachten. Rings um das Anwesen stand kein einziger Baum mehr; nur die Stümpfe, die hie und da aus dem Boden ragten, verrieten, daß das Gelände nicht immer so kahl gewesen war. Brunetti, der steif vor Kälte im Wagen saß, konnte sich die Gegend kaum in einer anderen Jahreszeit vorstellen; und doch fragte er sich, wie das Vieh wohl im Sommer ohne schattenspendende Bäume auskam. Aber dann fiel ihm ein, daß es auf den modernen Höfen des Veneto ja kaum noch Kühe gab, die im Freien weiden durften: Man hielt sie jetzt auf engstem Raum zusammengepfercht in den Stallungen, als letzten lebenden Restposten in der Maschinerie der Milchproduktion.
    Der rauhe Nordwind hatte aufgefrischt, und es war merklich kälter geworden. Vianello stellte immer wieder den Motor an und drehte die Heizung so hoch, daß abwechselnd einer von ihnen gezwungen war, ein Fenster herunterzukurbeln.
    Nach einer halben Stunde sagte Vianello: »Ich glaube, es bringt nichts, wenn wir noch länger hier sitzen und darauf warten, daß der Junge herauskommt. Warum gehen wir nicht einfach rein und fragen, ob er da ist?«
    Pucetti, der sowohl nach Dienstgrad wie Platzverteilung (er saß auf dem Rücksitz) an hinterster Stelle kam, schwieg geziemend und überließ Brunetti die Antwort.
    Da der Commissario schon eine ganze Weile mit dem gleichen Gedanken gespielt hatte, stimmte er Vianellos Vorschlag ohne weiteres zu. »Einverstanden«, sagte er. »Gehen wir rein und sehen nach, ob er da ist.«
    Vianello ließ den Motor an und legte den Gang ein. Langsam, weil die Räder in dem aufgeweichten Boden immer wieder durchdrehten und nur mühsam Halt fanden, rollten sie durch Schlamm und Kies auf das Haus zu. Im Näherkommen entdeckten sie mehr und mehr Zeugnisse eines kargen bäuerlichen Alltags. Vor der Scheune lag ein ausrangierter Reifen, der seiner Größe nach nur von einem Traktor stammen konnte. Links vom Hauseingang stand eine Reihe wahllos gepaarter Gummistiefel: hohe neben niedrigen, schwarze neben braunen. Plötzlich tauchten hinter einer Ecke zwei große Hunde auf und jagten in großen Sätzen auf sie zu; daß sie nicht bellten, ließ sie nur um so gefährlicher erscheinen. Zwei Meter vor dem Wagen verhielten beide jäh auf der Beifahrerseite, bleckten die Zähne und beäugten die Wageninsassen argwöhnisch.
    Brunetti, der nur ein paar gängige Rassen auseinanderhalten konnte, glaubte in diesen beiden, die augenscheinlich Mischlinge waren, etwas von einem Schäferhund zu erkennen, aber das war auch alles, was er identifizieren konnte. »Was nun?« fragte er Vianello.
    Da der keine Antwort gab, stieß Brunetti

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