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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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seine Tür auf und setzte einen Fuß auf ein trockenes Grasbüschel. Die Hunde rührten sich nicht. Also stellte er auch den anderen Fuß auf den Boden und stemmte sich aus dem Sitz. Die Hunde verharrten immer noch reglos. Der scharfe Geruch von Kuhpisse stieg ihm in die Nase, und er sah, daß auf den Pfützen vor dem Eingang zum Stall ein dunkler Schaum schwamm, der bräunliche Blasen warf.
    Gleich darauf hörte er erst eine, dann die andere Wagentür aufgehen, und im nächsten Moment stand Pucetti neben ihm. Angesichts der Verstärkung wichen die Hunde ein Stück weit zurück. Als dann auch noch Vianello um die Motorhaube herumkam, verzogen sie sich bis an die Hausecke. Plötzlich stampfte Vianello mit dem rechten Fuß auf und machte einen großen Ausfallschritt, worauf die Hunde vollends Reißaus nahmen, immer noch ohne einen Laut von sich zu geben.
    Die drei Männer gingen zum Wohnhaus, wo Brunetti den wuchtigen Eisenring, der als Türklopfer diente, gegen das Messingschild in der Türfüllung schwang. Er lag gut in der Hand und erzeugte einen satten Klang. Als sich nichts rührte, klopfte er noch mal, und jetzt erscholl von drinnen eine Antwort, deren Wortlaut sie indes nicht verstanden.
    Eine kleine, untersetzte Frau mit dunklem Haar öffnete die Tür. Sie trug ein unförmiges graues Wollkleid und darüber eine dicke grüne Jacke, offenbar handgestrickt, allerdings von einer ungeübten Hand. Sie trat einen Schritt zurück, legte den Kopf in den Nacken und blinzelte zu den Männern hoch, die um etliches größer waren als sie. Ihr Gesicht wirkte auf der linken Seite seltsam verzerrt: das Auge nach der Schläfe hin verschoben, während die Mundpartie schlaff herabhing. Brunetti schätzte sie auf weit über vierzig, und doch hatte sie einen babyzarten, faltenlosen Teint.
    »Sì?« fragte sie nach einigem Zögern.
    »Wir suchen Giuliano Ruffo, Signora«, sagte Brunetti. »Wohnt er hier?«
    Man hätte sie für eine Ausländerin halten können, so lange dauerte es, bis sie den Sinn seiner Worte erfaßt hatte. Brunetti sah, wie sie mit den Lippen den Namen »Giuliano« formte, als würde ihr das bei der Beantwortung der Frage helfen.
    »Momento«, sagte sie endlich, wobei die Konsonanten ihr große Schwierigkeiten machten. Dann ging sie weg und überließ es ihnen, die Haustür zu schließen. Oder, dachte Brunetti, sich mit allem Hab und Gut davonzustehlen und womöglich obendrein noch die Hausbewohner niederzumetzeln und - mit etwas Glück von den Hunden unbehelligt - davonzufahren.
    Die drei Männer standen dicht gedrängt in der Diele und warteten darauf, daß die Frau zurückkommen oder vielleicht jemanden schicken würde, der ihre Fragen besser beantworten konnte. Und wirklich erklangen nach ein paar Minuten Schritte aus dem rückwärtigen Teil des Hauses. Die Frau in der grünen Jacke erschien wieder, gefolgt von einer jüngeren in einem Pullover aus der gleichen Wolle, jedoch von begabterer Hand gestrickt. Auch Gesichtszüge und Körperhaltung der jungen Frau wirkten auf Brunetti merklich kultivierter. Ihre dunklen Augen suchten sofort seinen Blick, der wohlgeformte Mund war leicht geöffnet, und ihre lebhafte Miene vermittelte den Eindruck wacher Intelligenz.
    »Sì?« fragte sie. Und sowohl Tonfall als auch Mimik machten deutlich, daß sie keinen höflichen Bescheid, sondern eine Erklärung verlangte.
    »Ich bin Commissario Guido Brunetti, Signora. Und ich möchte gern mit Giuliano Ruffo sprechen.«
    »Worüber?«
    »Über den Tod eines seiner Mitschüler.«
    Während dieses Wortwechsels stand die ältere Frau neben ihm und sah mit offenem Mund von einem Sprecher zum anderen, schien aber nur inhaltslose Laute wahrzunehmen. Als Brunetti sie im Profil sah, entdeckte er eine große Ähnlichkeit zwischen ihrer unversehrten Gesichtshälfte und den Zügen der Jüngeren. Also vermutlich Schwestern oder Cousinen.
    »Er ist nicht da«, sagte die Jüngere.
    Doch Brunetti duldete keine Ausflüchte. »Dann verstößt er gegen die Beurlaubungsvorschriften der Schule«, sagte er, was vielleicht nicht einmal gelogen war.
    »Zum Teufel mit der Schule!« stieß sie heftig hervor.
    »Dann sollte er erst recht mit uns reden.«
    »Ich sage Ihnen doch, er ist nicht hier.«
    Da wurde Brunetti ärgerlich. »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte er hart. Und eingedenk dessen, wie wenig Abwechslung das Landleben bot - so wenig, daß mitunter allein die Hoffnung, einem der Nachbarn könnte ein Unheil zustoßen, für Kurzweil sorgte -, fuhr

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