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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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fünfhundertmal, hin und zurück. Wenn ich also sage, man braucht für den Weg elf Minuten, dann sind es elf Minuten.«
    Ohne von ihrer Entrüstung Notiz zu nehmen, forschte er weiter: »Demnach würde sie auch so lange brauchen?«
    »Wer?«
    »Die Rumänin.«
    Sie wollte ihn schon belehren, daß die Rumänin einen Namen habe, Flori, doch sie beherrschte sich und sagte nur: »So lange würde jeder brauchen, Tenente, der halbwegs gut zu Fuß ist.«
    »Und wie spät war es, als Sie sich auf diesen Elf-Minuten-Weg machten, Signora?«
    »Das habe ich doch schon gesagt. So gegen halb elf.«
    »Und der Zug nach Zagreb geht um elf Uhr fünfundvierzig.« Es klang, als hätte er den Fahrplan im Kopf.
    »Ich glaube, ja.«
    In einem Ton, als wolle er ein Kind überzeugen, das noch kein Zeitgefühl besaß, sagte er: »Da bleibt über eine Stunde Spielraum, Signora.«
    Was er damit unterstellen wollte, war so absurd, daß sie abermals heftig wurde. »Das ist doch lächerlich! Flori war nicht der Typ, der sich heimlich zurückschleichen und aus Rache einen Mord begehen würde.«
    »Sie haben Erfahrung mit diesem Typ, Signora?«
    Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. Aber sie bezwang sich, atmete tief durch und sagte: »Ich habe Ihnen genau erzählt, was passiert ist.«
    »Und Sie erwarten, daß ich das alles glaube, Signora?« fragte er spöttisch.
    Sie hatte ganz spontan und aus reiner Anteilnahme gehandelt - woher sollte einer wie dieser Tenente Scarpa das verstehen? »Es spielt keine Rolle, ob Sie mir glauben oder nicht, Tenente. Ich sage die Wahrheit.« Und bevor er etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: »Ich habe keinen Grund zu lügen. Ich hätte es mir auch einfach machen und die Geschichte für mich behalten können. Aber ich bin zu Ihnen gekommen, weil alles so war, wie ich gesagt habe: Die alte Frau hätte Flori nicht mehr in die Wohnung gelassen. Darum habe ich ihr das Geld gegeben und sie zum Bahnhof gebracht.« Er wollte etwas erwidern, doch sie winkte ab und fuhr fort: »Und ob Sie es nun glauben wollen oder nicht, Tenente, es bleibt doch die Wahrheit: Flori hat Signora Battestini nicht getötet.«

4
    E ine Weile saßen sie einander schweigend gegenüber, dann stemmte Scarpa sich aus seinem Sessel hoch und ging an ihr vorbei aus dem Zimmer, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Signora Gismondi blieb sitzen und ließ den Blick über den Schreibtisch wandern. Aber die beiden spärlich gefüllten Ablagekörbe, der einsame Kugelschreiber und das Telefon verrieten so gut wie nichts über den Mann, mit dem sie es zu tun hatte. Und auch der Christus, der von seinem Kruzifix auf sie herabsah, schien nicht gewillt zu enthüllen, was er im täglichen Miteinander über Tenente Scarpa in Erfahrung gebracht hatte. Das Büro besaß nur ein einziges kleines Fenster, das obendrein geschlossen war, und Signora Gismondi litt trotz der offenen Tür in ihrem Rücken unter der stickigen Schwüle. Nachdem sie etwa zwanzig Minuten gewartet hatte, hielt sie es nicht mehr aus und erhob sich, um auf dem Flur Kühlung zu suchen. Doch sie war kaum aufgestanden, da erschien der Tenente, in der Hand einen Schnellhefter. Stirnrunzelnd blieb er in der Tür stehen und fragte: »Sie wollten doch nicht etwa gehen, Signora?«
    Es klang nicht direkt wie eine Drohung; trotzdem nahm Signora Gismondi mit hängenden Armen wieder Platz.
    »Nein, keineswegs«, sagte sie und hätte doch nichts lieber getan, als sich zurückzuziehen und fortan aus allem herauszuhalten. Sollte die Polizei doch sehen, wie sie alleine zurechtkam.
    Scarpa kehrte auf seinen Platz zurück und überflog die Papiere in der Ablage, als suche er nach Indizien dafür, daß sie in seiner Abwesenheit spioniert hätte. »Sie hatten genug Zeit zum Nachdenken, Signora«, sagte er. »Behaupten Sie immer noch, daß Sie dieser Frau Geld gegeben und sie zum Bahnhof gebracht haben?«
    Auch wenn der Tenente das nie erfahren würde, war es gerade diese verächtlich hingeworfene Unterstellung, die Signora Gismondi ihren Kampfgeist zurückgab. Sie dachte an ihren Ex, der blond gewesen war, klein von Statur und mit dem Scarpa rein äußerlich nichts gemein hatte; dennoch waren beide Männer vom selben Schlag. »Ich ›behaupte‹ gar nichts, Tenente«, sagte sie mit erzwungener Ruhe. »Aber ich erkläre nochmals, und wenn Sie mir die Gelegenheit dazu geben, will ich es auch gern beeiden, daß die Rumänin, die ich unter dem Namen Flori kannte, von Signora Battestini ausgesperrt wurde und daß die

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