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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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neben der Küche waren an einer Wand zwei Feldbetten aufgeschlagen, zusätzlich zu den fünf Bettstellen im Schlafraum. Der schmale Kleiderschrank war vollgestopft mit Jacken und über Kleiderbügel gehängten Jeans; am Boden türmte sich ein Berg von Turnschuhen. Der Gestank, der ihnen entgegenschlug, als Brunetti die Schranktür öffnete, war so unerträglich, daß er die Tür hastig wieder zuwarf und ein Zimmer weiter ging.
    Das Bad war, rundheraus gesagt, ekelerregend. Die kleine Wanne starrte vor verkrustetem Schmutz, und unter dem tropfenden Wasserhahn hatten sich grünlichblaue Schlieren gebildet. Auf dem Wannenrand stapelten sich schmuddelige Handtücher; etliche mehr hingen an Nägeln hinter der Tür.
    Die Klobrille war aus der Halterung gerissen und lehnte an einer Wand. Im Waschbecken klebten Haare und eingetrockneter Rasierschaum nebst anderen Rückständen, die Brunetti lieber nicht analysieren wollte. Weiße Flecken und unzählige Fingerabdrücke verschmierten den Spiegel. Eine Blechdose war vollgestopft mit Zahnbürsten.
    »Wollen Sie sich noch mal den Schrank vornehmen, Lorenzo?« fragte Brunetti.
    »Wenn's nicht sein muß, verzichte ich gern«, antwortete Vianello. »Außerdem wissen wir ja nicht mal, wonach wir suchen.«
    Brunetti mußte ihm recht geben. »Also gut«, sagte er, »dann versuchen wir unser Glück eins höher.«
    Sie traten hinaus auf den Flur, schlossen die Wohnungstür hinter sich ab und stiegen hinauf in den obersten Stock. Statt der massiven Steintreppe in den unteren Etagen gab es hier nur noch eine enge Holzstiege. Von außen hatte man gar nicht gesehen, daß das Haus über drei Stockwerke verfügte, aber vielleicht war das Dachgeschoß - wie Brunettis Wohnung - erst nachträglich und ohne Genehmigung ausgebaut worden.
    Oben gab es nicht einmal einen Treppenabsatz. Die letzte Stufe endete einfach vor einer Bohlentür. Brunetti holte die Schlüssel des Toten hervor, und gleich der erste drehte sich im Schloß. Als er die Tür öffnete, fiel aus dem Treppenhaus hinter ihm ein spärlicher Lichtschein in den Raum. Er beugte sich vor und tastete die linke Wand ab, bis er an einen Schalter stieß.
    Eine nackte 40-Watt-Birne hing von der Decke der fensterlosen Kammer, die offenbar ursprünglich als Speicher gedient hatte und überhaupt nicht isoliert war: Durchs Gebälk über ihnen blickte man direkt auf die Dachpfannen. Kaum waren sie eingetreten, stand ihnen der Atem in kleinen Dampfwölkchen vor dem Mund.
    An der Wand gegenüber der Tür befand sich ein schmales Bett mit einem Stapel alter Wolldecken. Davor war nur Platz für ein Tischchen mit einer elektrischen Kochplatte darauf, deren Anschluß zum Lichtschalter an der Tür führte, wo jemand ihn mit sehr viel Klebeband und sehr wenig Geschick befestigt hatte. Neben der Kochplatte eine Blechtasse und eine Schachtel Teebeutel; unter dem Tisch ein Blecheimer, zugedeckt mit einem Handtuch. Brunetti brauchte nur einen Schritt vom Eingang bis zum Tisch. Er zog das Handtuch fort und sah, daß das Wasser im Eimer von einer dünnen Eisschicht überzogen war.
    Es genügte, sich weit vorzubeugen, und schon konnte er die Tür mit dem Ellbogen zudrücken. An zwei Nägeln in der Türfüllung hingen eine Jeans und ein roter Pullover. Als Brunetti die Hosentaschen abtastete, stieß er am Boden der rechten Vordertasche auf etwas Hartes und zog einen Gegenstand heraus, etwa so groß wie ein Ei und in ein sauberes weißes Taschentuch eingeschlagen. Brunetti legte den Fund auf den Tisch und wickelte ihn aus.
    Zum Vorschein kam ein holzgeschnitzter Kopf, der sich leicht in eine Hand geschmiegt hätte, wären nicht unten lauter piksende Spreißel herausgestanden. Offenbar hatte man den Kopf von einer Statue abgebrochen.
    »Was ist das?« fragte Vianello und trat neugierig näher.
    »Ich weiß nicht. Sieht aus wie ein Frauenkopf.« Brunetti nahm das Schnitzwerk vom Tisch, damit sie es aus nächster Nähe betrachten konnten. Die Nase war ein spitzes Dreieck, die Augen zwei schmale Schlitze, von vollkommenen Ovalen umrahmt. Die Haare waren besonders sorgfältig herausgearbeitet und ließen ein kunstvolles, symmetrisch angeordnetes Flechtwerk unzähliger kleiner Zöpfchen erkennen. In die Stirn war ein auffallendes geometrisches Muster eingeritzt: vier Dreiecke mit einem Rhombus in der Mitte, auf den alle vier ausgerichtet waren, und das Ganze in einer einzigen, ununterbrochenen Linie geschnitzt.
    »Schön, nicht wahr?« fragte Vianello.
    »Ja,

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