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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wunderschön«, bestätigte Brunetti. Er drehte das Köpfchen um und zeigte Vianello die ausgefransten Holzsplitter. »Gewaltsam vom Hals abgebrochen, würde ich sagen.« Dann wickelte er den Kopf wieder ein und steckte ihn in seine Tasche.
    Vianello trat ans Bett, kniete sich hin und schlug den überhängenden Deckensaum zurück. Darunter zog er einen Pappkarton hervor und stellte ihn aufs Bett.
    Außer Bett und Tisch gab es nichts in dem kargen Raum: keine Toilette, keinen Wasseranschluß, weder Schrank noch irgendeine Art von Kommode oder Truhe. Brunetti deutete auf die Blechtasse. »Darin hat er wohl sein Teewasser gekocht.«
    Vianello hielt es anscheinend nicht für nötig, darauf einzugehen. Er spähte in den Karton, dessen Inhalt er mit dem Zeigefinger hin und her schob, und sagte: »Das bringt auch nichts.« Dann kniete er sich wieder neben das Bett und wollte den Karton an seinen Platz zurückstellen.
    »Was ist denn drin?« fragte Brunetti.
    »Bloß was zum Essen.«
    »Warten Sie mal«, sagte der Commissario, und Vianello machte ihm Platz.
    Brunetti beugte sich über den Karton und sah eine Rolle Kekse, eine Tüte geschälte Erdnüsse, eine offene Packung grobes Kochsalz, vier Teebeutel, ein Stück Käse, das er für Asiago hielt, zwei Apfelsinen und einen Zellophanbeutel mit ein paar Zuckertütchen, wie sie in Bars zum Kaffee gereicht wurden.
    »Wozu das Salz?« fragte Brunetti.
    »Wie bitte?«
    Brunetti umfing den ärmlichen Raum mit einer kreisenden Handbewegung. »Wozu brauchte er Salz? Es gibt hier weder Töpfe noch Pfannen. Er hat nicht gekocht. Was wollte er also mit dem Salz?«
    »Vielleicht nahm er es zum Zähneputzen?« Vianello steckte den Zeigefinger in den Mund und rubbelte damit auf und ab, um zu demonstrieren, was er meinte.
    Brunetti beugte sich vor und nahm die Packung aus dem Karton. »Nein, sehen Sie doch: Da steht sale grosso, Kochsalz. Das taugt nicht zum Zähneputzen, viel zu grobkörnig.« Der Packungsdeckel war an drei Seiten eingerissen und ein Stück weit zurückgeklappt. Obenauf lagen klobige Körner in Linsengröße. Brunetti befeuchtete einen Finger mit Spucke, steckte ihn in die Packung, zog ihn wieder heraus und leckte ihn ab. Salzgeschmack machte sich auf seiner Zunge breit.
    Er legte die Schachtel aufs Bett, zog sein Taschentuch hervor, und nachdem er es auf dem Deckenstapel ausgebreitet und glattgestrichen hatte, schüttete er vorsichtig das Salz darauf. Ungefähr ab der Mitte der Packung veränderten sich Form und Farbe der Körner: Die undurchsichtig trüben Salzkristalle gewannen zusehends an Reinheit und Größe, bis sie, wie durch Zauberei, vollkommen klar aus der Packung kullerten, manche fast erbsengroß.
    »Dio mio!« entfuhr es Vianello.
    Stumm vor Staunen betrachtete Brunetti das Häuflein auf seinem Taschentuch. Im trüben Schein der schwachen Glühbirne lagen die Steine starr und glashell vor ihm. Vielleicht, daß Sonnenlicht sie zum Leben erwecken würde? Eine Frage, die er nicht beantworten konnte; er war ja nicht einmal sicher, was er vor sich hatte: Roh und unbearbeitet, ohne Facettenschliff, fehlten den Steinen Form und Lüster, die sie als Diamanten ausgewiesen hätten. Für Brunettis ungeschultes Auge hätte es sich ebensogut um Ausschußware aus Murano handeln können - durchsichtige kleine Bruchstücke, aus denen ein Glasbläser ursprünglich vielleicht die Ohren eines gläsernen Bären hätte formen wollen oder die Nasen durchsichtiger Häschen.
    Bloß wären die Steine in dem Fall wohl kaum im Zimmer eines Mordopfers versteckt gewesen.
    Vianello richtete sich auf. »Was machen wir jetzt damit?« fragte er. Bei gewissen Kollegen in der Questura hätte Brunetti hinter dieser Frage die Überlegung gewittert, wie man sich die Steine am besten unter den Nagel reißen könne. In Vianellos Fall spiegelte sich darin nur Brunettis eigene Sorge wider, wie zu verhüten sei, daß die Steine ebenjenen Kollegen in die Hände fielen. Wie viele Villen wohl aus den Beständen der Asservatenkammern hervorgegangen waren? Und wie viele Urlaube wurden mit beschlagnahmten Geldern oder konfiszierten Drogen bezahlt?
    »Geben Sie mir Ihre Handschuhe«, sagte Brunetti.
    »Wie bitte?« Verdutzt starrte Vianello ihn an.
    »Ihre Fäustlinge. Wenn wir die Steine da reinfüllen, bringen wir sie problemlos hier raus.«
    »Wir nehmen sie also mit?«
    »Sollen wir sie etwa hierlassen?« fragte Brunetti zurück. »Auf die Gefahr hin, daß die Männer da unten Bescheid wissen und

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