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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wollte, trat, als er den jungen Mann gebändigt sah, zu seinem Stuhl zurück, blieb jedoch daneben stehen.
    Der Anführer wandte sich an Brunetti und sagte ehrlich betrübt: »Sie sollten vielleicht lieber nicht davon sprechen, wie die Polizei uns zum Reden bringen kann, Signore.«
    Worauf Brunetti ganz vorsichtig aufstand, langsam auf den jungen Mann zuging, dessen erhobene Hand ergriff und sachte auf Taillenhöhe hinunterzog. Als er die Faust des anderen gleichsam zwischen seinen beiden Händen gefangenhielt, schloß der junge Mann die Augen. Im nächsten Moment versuchte er, seine Hand wegzuziehen, doch Brunetti ließ nicht los.
    Sobald der Afrikaner die Augen wieder aufschlug und ihn ansah, sagte Brunetti: »Ich bitte Sie um Verzeihung für das, was ich gesagt habe. Sie sowie alle übrigen hier im Raum und auch Ihren toten Freund. Es war gedankenlos von mir, gedankenlos und dumm.« Wieder versuchte der junge Mann seine Hand zurückzuziehen, aber die Bewegung war merklich schwächer.
    Brunetti, der unbeirrbar Hand und Blick seines Gegenübers festhielt, fuhr ruhig fort: »An Ihrem Freund ist ein furchtbares Verbrechen verübt worden, kein Mensch dürfte so sterben wie er - und darum will ich diejenigen fassen, die ihn umgebracht haben.«
    Dann erst gab er die Hand des Jünglings frei, trat einen Schritt zurück und blieb wehrlos, mit hängenden Armen, vor seinem Kontrahenten stehen, der ihn schweigend anstarrte. Brunetti wandte sich wieder an den Anführer: »Signor Cuzzoni hat mir die Schlüssel zu den übrigen Wohnungen gegeben, und ich werde mich jetzt dort umsehen.«
    »Warum sagen Sie mir das?«
    »Weil Sie hier leben. Der Hausbesitzer hat mir zwar die Schlüssel überlassen und mir Zutritt zu allen Wohnungen gestattet, trotzdem wäre es nicht recht von mir, ohne Ihr Wissen hinaufzugehen.«
    »Heißt das, Sie fragen uns um Erlaubnis?«
    »Nein.« Brunetti schüttelte energisch den Kopf. »Ich informiere Sie lediglich.«
    Der Commissario gab Vianello ein Zeichen und wandte sich zur Tür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um und sagte, an die ganze Runde gewandt: »Ach, übrigens: Mein Name ist Brunetti. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, erreichen Sie mich jederzeit in der Questura.«
    Stumm wie steinerne Statuen sahen die Männer ihn an, und dann verließen Vianello und er die Wohnung.

12
    N a, das habe ich ja prima hingekriegt«, seufzte Brunetti, als sie auf den Flur hinaustraten.
    »Also ich fand nichts Schlimmes an dem, was Sie gesagt haben«, versuchte Vianello ihn zu trösten. »Es ergab sich nun einmal aus Ihrem Gespräch mit dem capo. Ich jedenfalls habe erst, als dieser dürre Kerl mit erhobener Hand auf Sie losging, gemerkt, daß die sich offenbar bedroht fühlten.«
    »Aber wenn ich mir vorher überlegt hätte, was eine solche Drohung für diese Leute bedeutet - noch dazu aus dem Munde eines Polizisten -, wenn ich -«
    »Wenn mein Großvater Räder hätte, wäre er ein Fahrrad«, unterbrach ihn Vianello und fragte dann ganz sachlich: »Wollen wir jetzt nach oben gehen?«
    Brunetti nickte und wandte sich der Treppe zu, erleichtert, daß Vianello seinen Selbstvorwürfen ein Ende gesetzt hatte. Darüber, wie die Polizei in gewissen Ländern mit Verdächtigen und Inhaftierten umsprang, wußte er, nicht zuletzt dank eines Freundes, der für Amnesty International arbeitete, ziemlich gut Bescheid. Daß er vorhin mit seinen unbedachten Worten die Vertrauensbereitschaft der Afrikaner verspielt hatte, war nicht mehr zu ändern, auch wenn er es bereute, sie mit seiner scheinbaren Gefühlskälte gekränkt zu haben. Seufzend schob er diese Gedanken beiseite, während sie in den nächsten Stock hinaufstiegen.
    Brunetti hatte außer Cuzzonis Schlüssel auch die des Toten dabei, die er allerdings vorsichtshalber nicht auf dem Dienstweg ausgeliehen, sondern stillschweigend aus der Asservatenkammer geholt hatte. An der Wohnungstür im zweiten Stock probierte er zunächst die Schlüssel des Toten, dann das erste Paar von Cuzzoni, aber keiner davon paßte. Doch mit einem der Schlüssel von Cuzzonis zweitem Paar hatte er Glück. Als Brunetti die Tür öffnete, schlug ihm abermals strenger Geruch entgegen wie in der Wohnung darunter, nur daß er hier nicht ganz so aufdringlich wirkte, weil die Räume kaum beheizt waren. In der Küche standen nur Tassen und Gläser im Spülbecken, woraus der Commissario schloß, daß die Mahlzeiten von allen gemeinsam in der unteren Wohnung eingenommen wurden. In einer Kammer

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