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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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zahlreichen Triumphen der beiden Freunde auf ihrer Suche nach Eßbarem oder nach Zerstreuung. Wieviel von diesen Geschichten wohl der Wahrheit entsprach? Brunetti wußte es nicht, aber es war ihm auch gleichgültig. Er fand alle wunderbar und hatte sie immer gern gehört, weil sie ihm - ganz gleich wie sprunghaft oder aus dem Blickwinkel des Erzählers verzerrt - Bilder des Mannes vermittelten, der sein Vater gewesen war, bevor der Krieg ihm so übel mitgespielt hatte.
    Claudio öffnete gleich nach dem ersten Klingeln, und Brunettis erster Eindruck war, daß der alte Mann vergessen habe, seine Schuhe anzuziehen. Sie umarmten sich, und Brunetti nutzte die Gelegenheit, um über Claudios Schulter hinunterzuschielen auf dessen Hosenaufschläge, unter denen jedoch sehr wohl ein paar Absätze hervorlugten. Brunetti trat einen Schritt zurück und stellte bei näherem Hinsehen fest, daß nur die unausweichliche Tücke des Alters sich hinterlistig eingeschlichen und Claudio seit ihrem letzten Treffen um fünf Zentimeter oder mehr seiner Körpergröße beraubt hatte.
    »Wie schön, dich zu sehen, Guido«, begrüßte ihn der alte Mann mit derselben tiefen Baßstimme, aus der Brunetti als Kind Ruhe und Zuversicht geschöpft hatte. Mit den Worten »So, nun leg erst einmal ab« bat Claudio ihn herein. Brunetti stellte seine Aktenmappe auf den Boden und gab dem Alten den Mantel zum Aufhängen. Dabei fiel ihm ein, daß es Claudio gewesen war, der ihm zum sechzehnten Geburtstag jene tausend Lire geschenkt hatte - damals ein Vermögen -, die an einem einzigen Abend in der Bar im Viertel draufgegangen waren, wo er all seine Freunde freigehalten hatte. Ganz zeitgemäß vor allem mit Coca-Cola und limonata: Wein gab es zu Hause alle Tage, warum also hätte man damit ein Fest bestreiten sollen?
    Claudio führte ihn den Flur entlang zu dem Zimmer, das er stets als sein Büro bezeichnete, obgleich es nur ein gewöhnlicher Wohnraum war, den er mit einem ausladenden Schreibtisch, drei Stühlen und einem mannshohen Tresor ausgestattet hatte. In all den Jahren, in denen Brunetti hier ein und aus gegangen war, hatte er die Schreibtischplatte stets leer geräumt vorgefunden - mit einer einzigen Ausnahme. Vor sechs Jahren war er einmal dienstlich hier gewesen, um Claudio zu befragen, und da hatte eine mit weichem Veloursleder bezogene Schmuckschatulle auf dem Schreibtisch gestanden. Zurückgelassen von einem Gaunerduo, dem es gelungen war, sie raffiniert mit derjenigen zu vertauschen, die Claudio persönlich mit den Steinen gefüllt hatte, welche die beiden Betrüger angeblich kaufen wollten.
    Der Fall war ein Klassiker, ein sorgfältig vorbereiteter Coup, an dem die zwei Halunken womöglich über ein Jahr gefeilt hatten. Sie hatten Claudios Gewohnheiten studiert, sich mit Familienangehörigen angefreundet und dabei genug über sein Privatleben und seine Geschäfte in Erfahrung gebracht, um ihm weiszumachen, daß sie alte Kunden seines Vaters wären, der das Geschäft aufgebaut und später an Claudio übergeben hatte.
    An dem Tag, da der Handel besiegelt werden sollte, waren die beiden zu ihm ins Büro gekommen, und Claudio hatte ihnen die Glanzstücke seiner Sammlung abgetreten, Edelsteine von so immensem Wert, daß der alte Juwelier, nachdem er Brunetti alles gestanden hatte, in Schluchzen ausbrach. Die Gauner hatten die Steine sorgfältig ausgewählt und von Claudio einen nach dem anderen in die Schatulle legen lassen. Im letzten Moment hatte derjenige, der sich im nachhinein als der Anführer entpuppte, noch einen Brillantring, besetzt mit einem riesigen Diamantsolitär, ausgesucht und in der Mitte plaziert. Anschließend sah er zu, wie Claudio den Deckel schloß und mit schwarzen Gummibändern sicherte. »Auf die Weise«, hatte der Mann gesagt und dabei auf den kleinen Lederhöcker gedeutet, unter dem sich der Ring abzeichnete, »auf die Weise sehen Sie gleich, welche Schatulle die Ihre ist.«
    Und dann war es passiert, in dem Sekundenbruchteil, da Claudio das Kästchen fertigmachte und im obersten Fach seines Tresors deponierte. Hatte einer der beiden ihn mit einer Frage abgelenkt oder vielleicht ein Zigarettenetui gezückt? Später, als er den Schwindel entdeckte, hatte Claudio keinerlei Erinnerung an jenen entscheidenden Augenblick, in dem die beiden Kästchen vertauscht worden waren. Was geschehen war, begriff er erst zwei Tage später, als die Männer nicht wie vereinbart zurückkamen, um die Rechnung zu begleichen und ihre Steine

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