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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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ein.
    Brunetti, der das hätte überprüfen sollen, wußte es nicht. »Fragen Sie ihn«, sagte er zu Pucetti. »Falls er keine hat, dann soll er versuchen, sich einen Abgleich zu besorgen.« Als der junge Beamte sich zum Gehen wandte, rief Brunetti ihm nach: »Aber diskret!«
    Sobald Pucetti draußen war, deutete Vianello auf die Fotos, die Brunetti immer noch in der Hand hielt. »Folter?«
    »Ja.«
    »Warum? Wegen der Diamanten?«
    »Ja«, bestätigte Brunetti. »Oder wegen etwas, das er dafür kaufen wollte.«

17
    W ofür der Erlös der Diamanten bestimmt gewesen war, würden Brunetti und Vianello erst herausfinden, wenn die Identität des Toten geklärt war, oder zumindest, woher er stammte. Davor, sich bei ihren Überlegungen auf die Foltermale am Körper des Afrikaners zu beziehen, scheuten beide unwillkürlich zurück.
    Brunetti ließ etwa zwanzig Minuten verstreichen, bevor er ins Labor hinuntertelefonierte und Pucetti verlangte. »Und?« fragte er, als der junge Beamte an den Apparat kam.
    »Es gab kein Abgleichsmaterial, Commissario. Bocchese sagt, die Pathologie hat ihm gar keine Fingerabdrücke geschickt.«
    Ein leises »Ah« war alles, was Brunetti sich als Kommentar erlaubte. Dann sagte er: »Wenn Sie bei Bocchese fertig sind, können Sie jetzt wieder regulär Dienst tun.«
    »Jawohl, Commissario«, antwortete Pucetti und legte auf.
    Als Brunetti ihm wiederholte, was Pucetti gesagt hatte, entfuhr auch Vianello ein leiser Ausruf des Erstaunens.
    »Wir müssen noch einmal mit den Männern in Cuzzonis Haus reden«, befand Brunetti kurz entschlossen und erhob sich. Als die beiden wenig später aus der Questura traten, gingen sie blicklos am Anleger der Polizeibarkasse vorbei: Weder sollte die Dienststelle anhand des Bordbuchs ihr Ziel zurückverfolgen können, noch wollten sie bei ihrer Ankunft in Castello Aufsehen erregen. Also machten sie sich zu Fuß auf den Weg; sie legten ein zügiges Tempo vor und wählten intuitiv dieselben Straßen und Abkürzungen wie beim letzten Mal.
    Mit Cuzzonis Schlüsseln verschaffte Brunetti ihnen Zutritt zum Haus. Sie blieben unter der Tür stehen und horchten auf Geräusche aus den Wohnungen über ihnen. Es war vor eins, also würden die Afrikaner wohl noch da sein und abwarten, bis die Geschäfte Mittagspause machten und sie ihre ambulanten Verkaufsstände aufschlagen konnten. Seite an Seite stiegen die beiden hinauf in den ersten Stock und postierten sich rechts und links der Wohnungstür.
    Sie lauschten angestrengt, doch von drinnen hörte man nichts als Schweigen, jene lautlose Stille, die ihnen schon vor vielen leeren Wohnungen begegnet war, aber auch vor Räumen, in denen sich die Furchtsamen versteckten oder die Gefährlichen lauerten. Die beiden verständigten sich wortlos, ja ohne erkennbare Zeichen. Brunetti schob sich vor die Tür und steckte einen Schlüssel ins Schloß, während Vianello die Pistole zog, von der Brunetti gar nicht gewußt hatte, daß er sie bei sich trug. So leise wie möglich bewegte Brunetti den Schlüssel, doch der paßte nicht. Also zog er ihn wieder heraus und versuchte sein Glück mit dem kleineren des zweiten Paars. Diesmal spürte er, wie der Schlüsselbart einrastete und sich im Schloß drehte. Er nickte Vianello zu, drückte die Klinke nieder und preßte die Schulter gegen die Tür. Doch Vianello schob ihn beiseite, stieß mit dem Fuß die Tür auf und glitt tief geduckt über die Schwelle.
    Das Chaos, das sie drinnen erwartete, zeugte davon, daß die Wohnung fluchtartig verlassen und durchsucht worden war, aber es fanden sich keine Spuren von Gewalt. Die Afrikaner hatten sich aus dem Staub gemacht; allem Anschein nach ebenso überstürzt wie endgültig. Das spärliche Mobiliar im Wohnraum stand noch da; in der Küche hatten sie ein paar Kochtöpfe und Besteck übriggelassen. Auf dem Tisch waren zwischen drei tiefen Tellern mit einem rötlichen Eintopfgericht die Lebensmittelpackungen aus den Schränken entleert worden: Wellenförmige Häufchen Reis und Mehl vermischten sich miteinander, und auf dem Fußboden stak über ausgekippten Teebeuteln die leere Verpackung.
    Eine Inspektion der hinteren Räume ergab, daß alle persönlichen Habseligkeiten verschwunden waren: Nicht einmal eine überzählige Socke zeugte noch davon, wer hier gelebt hatte; und wie viele es gewesen waren, erschloß sich lediglich aus der Zahl der Feldbetten. Eins davon war umgeworfen worden, die anderen verschoben, als hätte jemand prüfen oder mitnehmen wollen,

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