Brunetti 14 - Blutige Steine
sicher, ob sie dir gefallen werden, aber ich denke, es lohnt sich, wenn du mal einen Blick drauf wirfst. Es sind ein paar Modelle dabei, die solltest du dir nicht entgehen lassen.« Rizzardi hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Ich schlage vor, du kommst vorbei und holst sie selber ab, das macht am wenigsten Umstände.«
»Danke, nett von dir. Heute kann ich mich allerdings nicht freimachen. Du weißt ja, was das immer für ein Trubel ist zu Beginn der Saison, aber ich schicke einen meiner Verkäufer wegen der Fotos. Sagen wir, in einer halben Stunde?«
»Gut, ich richte die Bilder inzwischen her und stecke sie in einen Umschlag. Sag deinem Verkäufer, er kann sie in meinem Büro abholen.«
»Mach ich, und nochmals vielen Dank. Ich bin schon sehr gespannt.«
»Ja, das dachte ich mir. Sind auch sehr interessante Kreationen dabei. Ach, soll ich dir auch gleich eine Preisliste beilegen?«
»Ja, tu das. Bis bald, Bruno.«
Brunetti glaubte ein gedämpftes Lachen zu hören, oder vielleicht war es auch nur ein indigniertes Schnauben, mit dem Rizzardi seiner Entrüstung darüber Luft machte, daß sie zu derlei Komödien genötigt waren. Aber was es auch sein mochte, es war im Nu wieder verstummt, und Rizzardi hatte aufgelegt.
Da Vianello sicher warten würde, wenn er ihn bei seiner Rückkehr von Signorina Elettra nicht antraf, ging Brunetti hinunter ins Bereitschaftszimmer und wies Pucetti an, bei Dottor Rizzardi im Ospedale Civile einen Umschlag abzuholen. »Aber gehen Sie zuerst nach Hause und legen Sie die Uniform ab.«
»Nicht nötig, Commissario. Ich habe Zivilkleidung hier im Spind«, sagte Pucetti und sprang eilends auf. »Ich kann also gleich los, sobald ich umgezogen bin.«
Bedrückt machte Brunetti sich auf den Weg nach oben. Die Tricksereien, zu denen er genötigt war, machten ihm zu schaffen: konspirative Telefonate, verschlüsselte Botschaften, Polizisten, die sich ihrer Uniform entledigten, um ihrer Arbeit nachgehen zu können. »Wir sind alle verrückt, verrückt sind wir, alle miteinander«, murmelte er halblaut vor sich hin, während er die Treppe hinaufstieg. Wenn das so weiterging, würde er demnächst verkleidet zum Dienst kommen und geheime Bankkonten auf den Kanalinseln eröffnen. Das ganze Theater dergestalt ins Absurde zu übersteigern, war irgendwie tröstlich; andernfalls hätten ihn die Eiertänze, die sie derzeit aufführen mußten, zur Verzweiflung getrieben.
Er hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, da kam Vianello hereingestürzt und keuchte atemlos: »Elettra sagt, irgendwer hat sich in ihren Computer eingeklinkt, und es ist alles weg.« Bevor Brunetti nachfragen konnte, erklärte er: »Nein, der Rechner ist unversehrt, aber ihre Dateien sind gelöscht. Elettra meint, wer immer da am Werk war, hat es sehr raffiniert angestellt.«
»Und was wurde vernichtet?« fragte Brunetti.
»Das Attachment einer E-Mail mit dem Obduktionsbericht. Und das Original vom Tatortprotokoll.«
»Und sonst? Die Adressen von Bertolli und Cuzzoni?« fragte Brunetti erschrocken. Nicht auszudenken, wenn der Spion, der die anderen Dateien gelöscht hatte, auch auf diese Informationen gestoßen war und nun daraus schließen konnte, in welche Richtung ihre Ermittlungen zielten. Was, dachte Brunetti mit einem Anflug von Bitterkeit, weit mehr war, als er selber wußte.
Sichtlich erleichtert, schüttelte Vianello den Kopf. »Elettra sagt, sie hatte alles gut versteckt, nicht nur die Adressen, sondern auch Kopien des Protokolls und des Autopsieberichts - weiß der Himmel, wo sie die hingeschmuggelt hat, womöglich in einen Ordner mit Kochrezepten. Sie meint jedenfalls, das einzige, was ein Fremder auf ihrem Computer finden konnte, seien die Originale von Obduktionsbericht und Tatortprotokoll gewesen.«
Brunetti konnte nur hoffen, daß sie recht behalten würde. »Kann sie feststellen, wer es getan hat?« fragte er.
»Ich glaube, sie ist gerade dabei.«
Brunetti ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich. »Jetzt kann uns nur noch eines helfen, nämlich uns so zu verhalten, als hätten wir die Ermittlungen wirklich eingestellt«, sagte er.
»Patta wird das niemals glauben«, wandte Vianello ein.
»Wenn es keine Anzeichen dafür gibt, daß wir irgendwas unternehmen, wird er es glauben müssen.«
Vianellos Blick verriet Skepsis, aber er behielt seine Bedenken für sich.
»Ich habe mit Rizzardi telefoniert«, sagte Brunetti. »Er hat etwas entdeckt.«
»So? Was denn?«
»Hat er mir am Telefon
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