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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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damit?« forschte Brunetti, ehrlich verwirrt.
    »Nun, ich allein darf sie nicht festnehmen, wenn ich nicht in Uniform bin und keinen Haftbefehl habe. Trotzdem wurmt es mich natürlich, wenn ich mit ansehen muß, wie sie gegen das Gesetz verstoßen. Also gehe ich ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg.« Morettis Stimme bebte vor Zorn, doch Brunetti ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern wartete ruhig ab, ob der Sergente sich erinnern würde, woher er den Toten kannte. Moretti saß grübelnd über der Fotografie; mitunter schweifte sein Blick ins Leere, kehrte aber immer wieder zu dem Foto zurück.
    »Warten Sie einen Augenblick, Commissario«, sagte er endlich und stand auf. »Ich werde mal nachfragen, ob einer von meinen Leuten ihn wiedererkennt.« Auf dem Weg zur Tür drehte er sich noch einmal um und fragte: »Möchten Sie nicht doch einen Kaffee?«
    »Nein danke, wirklich nicht.« Als der Sergente gegangen war, trat Brunetti vor die Anschlagtafel neben der Tür, und um sich die Zeit zu vertreiben, las er die ministeriellen Verlautbarungen, die dort aushingen. Ein Stellenangebot aus Messina - wo kein normaler Mensch sich hinversetzen lassen würde. Eine Anleitung zum ordnungsgemäßen Anlegen und Tragen der neuen kugelsicheren Westen - gab es denn da verschiedene Möglichkeiten? Und der Dienstplan für die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage, der Brunetti an seine Verabredung mit Paola erinnerte.
    Er kehrte an seinen Platz zurück und wunderte sich, wieso Moretti so lange fortblieb. Als er gekommen war, hatte er unten in der Wache nur drei Beamte gesehen: Wie lange konnten die brauchen, um sich ein einziges Foto anzusehen? Brunetti zückte sein Notizbuch, schlug eine leere Seite auf und schrieb groß und zweimal unterstrichen »Weihnachtsgeschenke« in die oberste Zeile. Darunter listete er links in kleineren Buchstaben die Namen »Paola«, »Raffi« und »Chiara« auf. Doch dann stockte er, weil ihm nichts weiter einfiel.
    Brunetti starrte immer noch angestrengt auf seine Namensliste, als Moretti zurückkam und sich hinter den Schreibtisch setzte. Kopfschüttelnd hielt er Brunetti das Foto hin. »Tut mir leid, Commissario, aber es hat ihn keiner erkannt.«
    Brunetti hob abwehrend die Rechte. »Nein, nein, behalten Sie's. Ich habe noch genügend Abzüge in meinem Büro. Bitte zeigen Sie es all Ihren Kollegen, die schon einmal mit den Straßenhändlern zu tun hatten. Vielleicht erkennt ihn doch noch jemand.« Moretti nickte, und eingedenk der jahrelangen guten Zusammenarbeit setzte Brunetti hinzu: »Aber das bleibt unter uns, ja? Reden Sie sonst mit niemandem darüber.« Ein prüfender Blick überzeugte ihn, daß Moretti, so befremdlich ihm diese Bitte auch erscheinen mochte, ihren Sinn sehr wohl verstand.
    »Ich weiß nicht, ob das weiterhilft«, begann der Sergente vertraulich, »aber unser Kommissariat hat bisher keinerlei Weisung erhalten, in diesem Mordfall zu ermitteln.«
    »Daran wird sich auch nichts ändern.«
    Eine Auskunft, die Moretti zunächst nur mit einem unbeteiligten »Aha« quittierte. Doch dann wurde er deutlicher: »Ich habe nur noch zwei Jahre bis zur Pensionierung, da geht es einem schon gewaltig gegen den Strich, wenn man sich immer noch vorschreiben lassen muß, welche Verbrechen man untersuchen darf und welche nicht.« Er griff wieder nach dem Foto. »Ich weiß, daß mir dieses Gesicht schon irgendwo begegnet ist ... Es ist nur eine verschwommene Erinnerung, aber ich glaube nicht, daß es was mit dem hier zu tun hatte.« Mit dem Foto in der Hand beschrieb er einen Halbkreis, der wohl das Kommissariat symbolisieren sollte.
    »Wie meinen Sie das?« fragte Brunetti.
    Moretti hielt ihm die Bildseite des Fotos hin. »So wie ich ihn hier sehe, mit geschlossenen Augen und in dem Bewußtsein, daß er ermordet wurde, tut er mir leid. Er ist ein Opfer und obendrein noch so jung. Als ich ihn lebend gesehen habe, war er auch in der Opferrolle, jedenfalls habe ich das so im Gefühl. Und ich war im Dienst, als ich ihm begegnete, da bin ich mir sicher.« Der Sergente legte das Foto mit dem Gesicht nach unten auf den Schreibtisch. »Hören Sie, Commissario, wenn's mir wieder einfällt oder wenn einer von meinen Leuten den Mann erkennt, rufe ich Sie an.«
    »Gut, ich danke Ihnen.« Nachdem die beiden Männer sich mit einem Händedruck verabschiedet hatten, verließ Brunetti das Kommissariat und trat hinaus auf die Piazza.
    Ohne diese halbwegs ermutigende Unterredung mit Moretti hätte Brunetti sich zu

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