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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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in LKW -Ladungen versteckt, Rauschgift aus dem Iran ins Land, und die Kollegen in Teheran halfen uns, die Dealer dingfest zu machen.« Daß die Iraner sich erst dann zur Zusammenarbeit bereit gefunden hatten, als herauskam, daß ein Großteil der Drogen auch auf den Straßen Teherans verkauft wurde, erwähnte er nicht.
    »Und wie waren sie, deine Kollegen?« fragte Chiara so gespannt, daß sie sogar aufhörte zu essen.
    »Wie ich schon sagte, höflich und hilfsbereit. In der Stadt herrschten chaotische Zustände: hohe Luftverschmutzung, Smog, Überbevölkerung. Aber wenn man Glück hatte und einmal hinter die Mauern schauen durfte - ein Kollege lud mich zu sich nach Hause ein -, dann entdeckte man durchaus auch üppige Gärten und viel Grün.«
    »Und die Menschen, wie fandest du die?« fragte Chiara weiter.
    »Sehr gebildet und kultiviert, zumindest diejenigen, mit denen ich in Berührung kam.«
    »Sie haben ja auch eine dreitausendjährige Kultur, von der sie zehren können«, warf Paola ein.
    »Was willst du damit sagen?« forschte Chiara.
    »Daß wir noch in Höhlen lebten und Bärenfelle trugen, als sie sich bereits in Seide kleideten und Persepolis erbauten.«
    Chiara, die kein Ohr hatte für diesen überspitzten Vergleich, fragte bloß: »Und was ist Persepolis?«
    »Eine alte Königsstadt, in der einst die persischen Herrscher residierten. Bis ein Europäer sie in Schutt und Asche legte. Nach dem Essen zeige ich dir ein Buch über Persepolis«, sagte Paola. Und dann, an alle gewandt: »Nachtisch?«
    Wie einst das stolze Persepolis vom Erboden verschwunden war, so schlagartig erlosch jetzt das Interesse an seiner mehrtausendjährigen Geschichte angesichts einer duftenden Apfeltorte.
    Als Brunetti am nächsten Morgen sein Büro betrat, schrillte das Telefon. Er hob ab und meldete sich mit Namen und Dienstgrad, während er sich, den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, mühsam aus dem Mantel schälte.
    »Ich bin's«, entgegnete eine Männerstimme, und es dauerte einen Moment, bis Brunetti sie als die des Juweliers Claudio Stein erkannte. »Ich muß dich sprechen, Guido.« Da man im Hintergrund einen Schiffsmotor tuckern hörte, war Claudio offenbar in der Stadt unterwegs.
    Brunetti, dem der dringliche Ton des alten Herrn nicht entgangen war, zog den Mantel gleich wieder an und sagte: »Wenn wir uns in Ihrem Büro treffen wollen, kann ich gleich rüberkommen.« Dabei überlegte er sich schon den kürzesten Weg zu Claudio und beschloß, sich in einem Polizeiboot hinbringen zu lassen.
    »Nein, nein, ich denke, wir treffen uns lieber im ... also da, wo dein Vater und ich immer unseren Aperitif getrunken haben.«
    Diese verschleierten Angaben beunruhigten Brunetti erst recht. »Ich bin in fünf Minuten da.«
    »Gut, ich erwarte dich«, sagte Claudio und legte auf.
    Brunetti erinnerte sich an die Eckbar mit Blick auf das säulengefaßte Portal des Arsenale: Um in fünf Minuten dort zu sein, mußte Claudio sich irgendwo an der Riva degli Schiavoni aufhalten. Als Junge hatte Brunetti oft dabeigesessen und zugehört, wenn die Freunde seines Vaters Kriegsgeschichten erzählten, während sie endlose Runden Scopa um einen lächerlichen Einsatz spielten und aus kleinen Gläsern einen Wein nippten, der so tanninhaltig war, daß ihre Zähne sich bläulich färbten. Sein Vater hatte bei diesen Zusammenkünften nie viel gesprochen, und fürs Kartenspielen interessierte er sich eigentlich auch nicht, aber als Veteran und Claudios Freund war er dabei, und das hatte den anderen genügt.
    Kaum, daß Brunetti aufgelegt hatte, klingelte das Telefon erneut, und in der Annahme, Claudio habe noch etwas vergessen, nahm Brunetti den Hörer ans Ohr.
    »Brunetti!« bellte Vice-Questore Patta. »Ich muß Sie sprechen. Sofort!« Sein Ton stand dem Wortlaut in nichts nach, und beide ließen keinen Zweifel daran, wie er gelaunt war. Behutsam legte Brunetti den Hörer auf die Gabel und wandte sich zum Gehen. Er kam gerade mal bis zur Tür, als hinter ihm wieder das Telefon schrillte.
    Der Commissario hatte kaum einen Blick für die Löwen vor dem Arsenale, bevor er eilig die Bar betrat und nach dem alten Juwelier Ausschau hielt. Als er Claudio nirgends entdecken konnte, sah er auf die Uhr und stellte fest, daß er von der Questura bis hierher nur sechs Minuten gebraucht hatte. Er ließ sich einen Kaffee geben und behielt die Tür im Auge. Nach weiteren fünf Minuten erkannte er in der Ferne den alten Herrn, der, auf einen Stock gestützt,

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