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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Weihnachtseinkäufen helfen?« fragte Paola. Als Brunetti schwieg, setzte sie wie zum Trost hinzu: »Nachtisch habe ich keinen genommen.«
    »Gut, ich auch nicht: Dann können wir ja auf dem Heimweg noch irgendwo einkehren.«
    Sie nahm seinen Arm und drückte ihn. »Wer kommt zuerst dran?«
    »Ich würde sagen, Chiara. Nur ist mir leider noch überhaupt nichts eingefallen.«
    »Wir könnten ihr ein telefonino schenken«, schlug Paola vor.
    »Und zwei Jahre pädagogischen Widerstand auf einen Schlag zunichte machen?«
    »Na ja, alle ihre Freundinnen haben inzwischen eins«, kommentierte Paola ganz im Stil ihrer Tochter.
    »Du hörst dich an wie Chiara«, wies Brunetti das Argument zurück. »Was zum Anziehen?«
    »Nein, Klamotten hat sie mehr als genug.«
    Brunetti blieb wie angewurzelt stehen. »Also das ist das erste Mal in meinem Leben, vielleicht sogar in der Geschichte der Menschheit, daß eine Frau zugibt, es könnte so was wie ein Zuviel an Garderobe geben.«
    »Eine Uberreaktion auf die Trüffel?«
    »Mag sein.«
    »Ich werd's überwinden.«
    »Ohne Zweifel.«
    Nachdem telefonino und Kleidung ausgeschieden waren, schlug Paola etwas zum Lesen vor, und sie gingen zurück zum Campo San Luca, in dessen Umkreis es gleich drei Buchläden gab. Im ersten fand sich nichts, was Chiara ihrer Mutter zufolge gefallen hätte, doch im zweiten kaufte Paola eine Gesamtausgabe von Jane Austens Romanen im englischen Original.
    »Wir haben doch schon eine«, wunderte sich Brunetti.
    »Jeder sollte seine eigene Ausgabe haben«, entgegnete Paola. »Wenn ich hoffen dürfte, du würdest sie lesen, dann hätte ich dir auch eine gekauft.«
    Er wollte eben einwenden, daß er Jane Austen sehr wohl schon einmal gelesen habe, als Paola sich von ihm abkehrte und wie gebannt auf die Wand hinter ihm starrte. Er drehte sich um und folgte ihrem Blick, doch alles, was er sah, war ein riesiges Poster mit einem jungen Mann darauf, der ihm vage bekannt vorkam. Ob es Moretti mit seiner Erinnerung an den Afrikaner ähnlich ergangen war? Paola war jedenfalls so weggetreten, daß Brunetti schließlich mit der Hand vor ihrem Gesicht hin und her wedelte und ihr zuflüsterte: »Erde an Paola, Erde an Paola - kannst du mich hören? Paola, bitte kommen!«
    Sie gönnte ihm einen flüchtigen Blick und wandte sich gleich wieder dem Poster zu. »Das ist es!« seufzte sie. »Wie für sie gemacht.«
    »Was denn?«
    »Na, dieses Poster. Chiara wird begeistert sein.«
    »Von dem Poster da?«
    »Aber ja!« Und bevor er fragen konnte, wer der Jüngling sei, wurde Paola plötzlich ernst. »Guido, da ist etwas, das du wissen solltest.«
    Er war auf das Schlimmste gefaßt: Chiara wollte durchbrennen und als Groupie mit einer Rockband durch die Lande ziehen; seine Tochter war drauf und dran, sich einer Sekte anzuschließen. »Was?«
    »Chiara hat sich in den britischen Thronfolger verliebt«, sagte Paola und deutete auf das Poster.
    »In einen Engländer?« Der schockierte Brunetti ließ alles Revue passieren, was er an Skandalgeschichten aus dem britischen Königshaus vernommen hatte: von den Battenbergs, den Windsors, den Hannoveranern oder wie immer sie sich zu nennen beliebten. »Einen aus dieser Familie?« stammelte er entsetzt.
    »Wäre es dir lieber, sie hätte sich in einen der männlichen Nachkommen unseres geliebten Savoyergeschlechts verguckt?« flötete Paola.
    Brunetti verschlug es die Sprache. Er rekapitulierte alles, was er je über die italienische Königsfamilie gehört hatte. Dann gab er sich einen Ruck, spitzte die Lippen und begann zur Verblüffung etlicher Kunden mitten in der Buchhandlung »Rule Britannia« zu pfeifen.

18
    D er Buchhändler empfahl ihnen eine solide Pappröhre für das Poster - eine Investition, die sich in dem dichten Gedränge auf den Straßen rasch bewährte. Drei-, viermal prallten Passanten so heftig mit Brunetti zusammen, daß ein ungeschützter Prinz unweigerlich Schaden genommen hätte. Nach dem dritten Mal spielte Brunetti mit dem Gedanken, die Posterrolle als Schlagstock zu benutzen und sich und Paola damit einen Weg durch die Menge zu erkämpfen. Aber die Einsicht, wie schmählich das gegen die Weihnachtsstimmung verstoßen hätte, ganz zu schweigen von seiner Position als Gesetzeshüter, hinderte ihn daran, den Gedanken in die Tat umzusetzen.
    Nach drei Stunden, zwei Kaffee und einem Stück Torte war Brunettis Kopf ebenso leer wie seine Brieftasche. Später erinnerte er sich, daß er staunend daneben gestanden war, als

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