Brunetti 14 - Blutige Steine
Paola in einem Plattenladen eine Liste exotischer Namen herunterrasselte, und wie fasziniert er Farbe und Design der Hüllen betrachtet hatte, während der Verkäufer die zwei CD-Stapel einpackte. Er selbst kaufte für Raffi einen Sweater in der Farbe desjenigen, den sein Sohn sich ständig von ihm ausborgte. Paolas Einwand, Kaschmir sei an Raffi verschwendet, konnte ihn nicht beirren. Er hatte nämlich vor, die Pullis nach ein, zwei Monaten unauffällig auszutauschen. In einem Computerladen erstand Paola zwei Online-Spiele in gleichermaßen schriller Verpackung, und Brunetti war überzeugt, daß der Inhalt der Aufmachung entsprach.
Anschließend hatte auch Paola genug, und sie machten sich auf den Heimweg. Als sie über den Campo San Bortolo zur Brücke zurückgingen, blieb Brunetti vor einem Juweliergeschäft stehen und musterte die Ringe und Halsketten im Schaufenster. Paola verharrte schweigend neben ihm.
Doch als er eben das Wort ergreifen wollte, sagte sie: »Das schlag dir nur gleich aus dem Kopf, Guido.«
»Aber ich möchte dir so gern etwas Schönes schenken.«
»Diese Pretiosen sind sündhaft teuer. Das macht sie noch nicht schön.«
»Magst du etwa keinen Schmuck?«
»Doch, natürlich, aber keine so protzigen Klunker, die aussehen, als hätte man sie mit Gewalt in die Fassung gepreßt.« Paola wies auf eine besonders mißglückte Kreation. »Das könnte Hobbes gut einer seiner Frauen verehren.«
Als Paola den amtierenden Regierungschef zum erstenmal mit diesem Namen belegt hatte, mußte sie dem verdutzten Brunetti noch erklären, wie sie darauf gekommen war: durch den englischen Philosophen Hobbes und seine Definition des Lebens als »häßlich, kurz und brutal«. Brunetti fand den Vergleich so treffend, daß er fortan nicht nur beim Zeitunglesen, sondern auch beim Studium amtlicher Erlasse die Namen auswechselte.
Nachdem er einsehen mußte, daß Paola ihm nicht helfen würde, ihr eigenes Geschenk auszusuchen, gab er sich geschlagen, und sie gingen nach Hause, um ihre Beute vor ihrer neugierigen Brut in Sicherheit zu bringen. Doch das einzige Versteck, das Brunetti einfiel, war das Bodenfach des Kleiderschranks. Hier verstaute er alle Geschenke, nachdem er sie, um die Kinder auf eine falsche Fährte zu schicken, mit Kärtchen versehen hatte, auf denen abwechselnd Paolas Name und der ihrer Mutter oder ihres Vaters standen.
Bei der Suche nach einem geeigneten Versteck waren ihm wieder die Salzpackung und ihr kostbarer Inhalt eingefallen.
Von Claudio Stein war so bald nichts Neues zu erwarten. Statt dessen rief er bei Vianello zu Hause an; vorsichtshalber mit dem auf Roberto Rossi registrierten telefonino. Zwar wahrte er diesmal seine Würde als Commissario der Polizia di Stato und verstellte weder die Stimme, noch sprach er in Gleichnissen, beschränkte sich aber, als Vianello an den Apparat kam, auf die knappe, unverfängliche Frage: »Gibt's was Neues?«
»Nein, nichts«, gab Vianello lakonisch zurück.
Und Brunetti legte auf.
Das Abendessen verlief friedlich. Während Raffi ziemlich ungeschickt versuchte, den Eltern ihre Weihnachtswünsche zu entlocken, erkundigte sich Chiara, ob auch Muslime Weihnachten feierten. Paola antwortete, da die Muslime Jesus als großen Propheten ehrten, würden sie wohl auch das Fest seiner Geburt achten, selbst wenn es für sie kein offizieller Feiertag sei.
Auf Brunettis Frage, warum sie das interessiere, antwortete Chiara: »Ich habe eine neue Schulfreundin. Sie heißt Azir und ist Muslimin.«
»So, woher kommt sie denn?« forschte Brunetti weiter.
»Aus dem Iran. Ihr Vater ist Arzt, aber er praktiziert nicht.«
»Und wieso nicht?«
»Ach, irgendwas wegen seiner Papiere.« Chiara nahm sich noch eine Portion Pasta. »Die sind, glaube ich, nicht gekommen, und jetzt arbeitet er erst mal in einem Kliniklabor.«
»Ich war mal im Iran«, erklärte Brunetti zur Verblüffung seiner Kinder. »In Teheran. Nach der Revolution.«
»Weswegen?« fragte Chiara gespannt.
»Beruflich«, antwortete Brunetti. »Drogen.«
»Und?« warf Raffi ein. »Was ist passiert?«
»Nun, sie waren sehr höflich und hilfsbereit und haben mir alle Informationen geliefert, die ich benötigte.« Die Gesichter seiner Kinder erinnerten ihn an einen Spruch, den Paola bisweilen zitierte - irgendwas mit Vögeln im Nest, die hungrig die Schnäbel aufsperren, aber nichts abkriegen. Also holte Brunetti etwas weiter aus. »Ich war damals noch in Neapel stationiert. Irgendein Syndikat schmuggelte,
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