Brunetti 14 - Blutige Steine
Achseln. »In diesem Geschäft ist Vertrauen Glückssache.«
»Aber können Sie sich darauf verlassen, daß sie nichts ausplaudern werden über die Steine?«
Wieder dieses beiläufige Schulterzucken. »Ich glaube nicht, daß sie reden werden, sofern man sie nicht danach fragt.«
»Und wenn sie gefragt werden?«
»Wer weiß?«
»Sind sie mit Ihnen befreundet?« forschte Brunetti weiter.
»Wer mit Diamanten handelt, hat keine Freunde, Guido.«
»Und der Mann in Antwerpen?«
»Der ist mit meiner Nichte verheiratet.«
»Heißt das, er ist ein Freund?«
Claudio gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. »Kaum. Aber immerhin kann ich ihm trauen.«
»Und?«
»Und ich habe ihn gebeten, mir, wenn möglich, den Herkunftsort der Steine zu nennen.«
»Wann erwarten Sie seine Antwort?«
»Noch heute.«
Brunetti konnte sein Erstaunen nicht verhehlen. »Wie haben Sie die Steine denn verschickt?«
»Ach«, entgegnete Claudio gespielt gleichmütig, »ich habe da einen Neffen, der allerlei Aufträge für mich erledigt.«
»Wie Diamanten nach Antwerpen zu bringen?«
»Es wäre nicht das erste Mal.«
»Wie ist er gereist?«
»Mit dem Flugzeug. Wie würde man sonst nach Antwerpen kommen? Um genau zu sein, ist er nach Brüssel geflogen und von dort mit der Bahn weiter.«
»Das kann ich nicht annehmen, Claudio.«
»Ich dachte, du hast es eilig.« Der alte Mann klang beinahe gekränkt.
»Ja, schon. Aber das geht trotzdem zu weit. Sie müssen mich die Kosten übernehmen lassen.«
Fast zornig wischte Claudio das Ansinnen beiseite. »Reisen bildet, und dem Jungen tut es gut zu lernen, wie man da oben Geschäfte macht.« Und mit einem wohlwollenden Blick auf Brunetti setzte er hinzu: »Außerdem bist du ein Freund.«
»Sagten Sie nicht eben, wer mit Diamanten handelt, habe keine Freunde?« wandte Brunetti ein. Doch er lächelte dabei.
Claudio beugte sich vor, zupfte einen losen Faden von Brunettis Mantelsaum und ließ ihn zu Boden fallen. »Mach dich gefälligst nicht lustig über mich, Guido«, sagte er und griff nach seiner Geldbörse, um die Getränke zu bezahlen.
19
A ls sie sich anschickten, die Bar zu verlassen, kostete es Brunetti einige Überwindung, dem Juwelier nicht seine Begleitung aufzudrängen. Doch der Verstand siegte über seine Fürsorge, und er sah ein, daß er der letzte war, mit dem Claudio derzeit gesehen werden sollte. Also ließ er den alten Herrn vorausgehen und blätterte noch fünf Minuten im Gazzettino, bevor auch er aufbrach. Nicht weil es ihn sonderlich dorthin zog, sondern weil Claudio in die andere Richtung gegangen war, schlug er den Weg zur Questura ein.
Der Beamte am Eingang salutierte, als er ihn erkannte. »Vice-Questore Patta wünscht Sie zu sprechen, Commissario.«
Brunetti dankte mit einer Handbewegung und ging nach oben. Nachdem er in seinem Büro den Mantel abgelegt hatte, wählte er Signorina Elettras Nummer. Als sie sich meldete, fragte Brunetti: »Was will er?«
»Oh, Riccardo«, zwitscherte sie, kaum, daß sie seine Stimme erkannt hatte, »wie lieb, daß du gleich zurückrufst. Könntest du statt Dienstag abend am Donnerstag zum Essen kommen? Ich hatte ganz vergessen, daß ich für Dienstag Konzertkarten habe, darum würde ich unser Treffen gern verschieben, falls es dir recht ist.« Nach einem beiseite gesprochenen: »Einen Augenblick, bitte, Vice-Questore«, war sie wieder in der Leitung. »Also dann Donnerstag um acht, Riccardo?
Ja, ich freue mich auch.« Und schon hatte sie aufgelegt.
Auch wenn der Gedanke verlockend war, Signorina Elettra habe ihm mit dieser Improvisation nahelegen wollen, er solle die Questura verlassen und nicht vor Donnerstag abend wiederkommen, schien er Brunetti wenig glaubhaft, und so machte er sich schweren Herzens auf den Weg nach unten. Als er das Vorzimmer betrat, war die Tür zu Pattas Büro nur angelehnt. »Guten Morgen, Signorina«, grüßte Brunetti vernehmlich. »Ich würde gern den Vice-Questore sprechen, falls er frei ist.«
Elettra erhob sich, ging zu Pattas Tür, stieß sie vollends auf und trat ein. Brunetti hörte sie sagen: »Commissario Brunetti läßt fragen, ob Sie Zeit für ihn hätten, Vice-Questore.« Gleich darauf kam sie wieder heraus und verkündete: »Der Chef läßt bitten, Commissario.«
»Danke, Signorina«, entgegnete Brunetti höflich und betrat Pattas Büro.
»Tür zu!« knurrte Patta statt einer Begrüßung.
Brunetti tat wie ihm geheißen und nahm dann unaufgefordert auf einem der Stühle vor dem
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