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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die Brücke zum Arsenale herunterkam.
    Am Fuß der Brücke wandte er sich den steinernen Löwen zu und betrachtete jeden einzelnen so lange, daß er sie aus dem Gedächtnis hätte nachzeichnen können. Dann schlenderte er zur Brücke zurück, ließ den Blick über die Lagune schweifen und flanierte schließlich am Kanal entlang auf das Bacino di San Marco zu. Ein argloser Beobachter hätte den Herrn mit dem Krückstock für einen interessierten Touristen gehalten; für einen Polizisten war er jemand, der sich verfolgt wähnte.
    Jetzt machte Claudio wieder kehrt und kam auf die Bar zu. Als er eintrat, überließ Brunetti ihm die Regie. Claudio gesellte sich zu ihm an den Tresen, aber ohne ihn zu begrüßen. Nachdem er beim Barmann einen Tee mit Zitrone bestellt hatte, fischte er sich unter den ausliegenden Zeitungen den Gazzettino heraus. Brunetti war unterdessen beim zweiten Kaffee. Bis sein Tee kam, hielt Claudio den Blick auf die Zeitung gerichtet; dann legte er sie beiseite, spähte durchs Fenster auf den leeren campo und sagte endlich halblaut: »Gestern nachmittag ist mir jemand gefolgt.«
    Brunetti löffelte Zucker in seinen Kaffee und neigte den Kopf zu Claudio hinüber.
    »Es war nur einer, und den konnte ich leicht abschütteln. Ich glaube zumindest, daß ich es geschafft habe.«
    »Wie weit ist er Ihnen denn gefolgt?«
    »Bis zum Bahnhof. Ich wartete auf die linea 82, und als das Boot kam, war es wie immer überfüllt. Ich blieb auf dem imbarcadero zurück, bis der Matrose das Gitter schloß, dann drängte ich mich nach vorn durch und schimpfte lauthals über die Touristenhorden, die uns Venezianern den Platz wegnähmen.« Verschmitzt lächelnd sah er zu Brunetti auf. »Da schob der Mann das Gitter noch mal zurück und ließ mich an Bord. Nur mich.«
    »Complimenti.« Brunetti beschloß, sich diesen Trick für etwaige Notfälle zu merken.
    Claudio gab Süßstoff in seinen Tee, rührte um und sagte: »Gestern habe ich Erkundigungen eingezogen und einem Bekannten in Antwerpen ein paar von deinen Steinen geschickt.« Er trank einen Schluck, setzte die Tasse ab und fuhr fort: »Einige andere habe ich von einem hiesigen Kollegen begutachten lassen. Als ich seinen Laden verließ, ist mir ein Mann aufgefallen, der mich offenbar beschattete.«
    »Diese Leute, bei denen Sie sich umgehört haben - wieviel haben Sie denen erzählt?« Hinter Brunettis Frage verbarg sich die bange Uberlegung, wo in Claudios Bekanntenkreis die undichte Stelle sein mochte.
    »Laß mich erst zu Ende reden. Ich habe auch bei einem Kollegen in Vicenza angefragt, ob ihm in jüngster Zeit afrikanische Diamanten angeboten worden seien. Der Mann arbeitet wie ich ohne eigenes Ladengeschäft, aber er ist der führende Händler in ganz Norditalien.«
    Es fiel Brunetti nicht leicht, den alten Herrn nach der Vertrauenswürdigkeit seiner Gewährsleute zu fragen, doch es mußte sein. »Dieser Mann in Vicenza - wissen viele von seinen Geschäften?«
    »Daß er kauft und verkauft? Ja, hier im Norden ist er ziemlich bekannt. Wenn jemand eine größere Menge Steine anzubieten hat, dann würde er sich bestimmt an ihn wenden - vorausgesetzt, er kennt den Markt.«
    »Und?«
    »Nichts und. Er hat in letzter Zeit keine einschlägige Offerte bekommen.«
    Brunetti war klug genug, diese Antwort nicht zu hinterfragen. »Sagen Sie, Claudio, wo sind die Steine eigentlich jetzt?«
    »Die, die du mir zur Aufbewahrung gegeben hast?«
    »Ja.«
    »An einem sicheren Ort.«
    »Keine Spielchen, bitte, Claudio. Wo sind sie?«
    »Auf der Bank.«
    »Wo, bitte?«
    »Ja, du hast ganz richtig gehört. Seit damals ... na, du weißt schon - also seitdem habe ich meine wertvollsten Steine immer in einem Bankschließfach deponiert. Und da sind jetzt auch die deinen.«
    »Sie gehören mir nicht«, berichtigte Brunetti.
    »Aber es sind doch viel eher deine als meine.«
    Da es sinnlos war, dieses Argument weiter hin und her zu schieben, fragte Brunetti: »Wenn Sie glauben, daß es bei keinem Ihrer Kollegen eine undichte Stelle gibt, wieso sollte Sie dann jemand beschatten?«
    »Die Frage hat mich fast die ganze Nacht wach gehalten, Guido. Entweder wurde das Haus, in dem du die Steine gefunden hast, überwacht, und man hat dich bis zu mir verfolgt - aber das hättest du sicher gemerkt, also können wir diese Möglichkeit wohl ausschließen. Oder man bespitzelt mich vorsorglich, routinehalber gewissermaßen, weil ich der bekannteste Juwelenhändler der Stadt bin. Oder sie haben das Telefon

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