Brunetti 14 - Blutige Steine
sagte Brunetti endlich. »Bitte richten Sie Ihrem Freund meinen Dank aus.« Er ließ ein paar Sekunden verstreichen und fragte dann: »War sonst noch was, Claudio?«
»Ein Kollege hat mir von einem Afrikaner berichtet, der vor einer Woche an ihn herangetreten sei und ihm ein Angebot machen wollte.«
»Wo war das?«
»Hier, in Venedig.«
»Und er hatte Diamanten anzubieten?«
»Erraten.«
»Könnten es dieselben Steine gewesen sein?«
»Das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen, Guido. Ich weiß nur, daß es sich um einen Afrikaner handelte, der Diamanten verkaufen wollte.«
»Und?«
»Und der Kollege hat sich die Steine angesehen und dankend abgelehnt.«
»Wieso? Waren sie zu teuer?«
»Nein, im Gegenteil.«
»Bitte?«
»Sie waren spottbillig. Der Mann verlangte nur die Hälfte dessen, was die Steine wert waren. Ich weiß nicht, wie viele er dem Kollegen vorgelegt hat, aber er ließ anscheinend durchblicken, daß er, falls man ins Geschäft käme, über hundert Stück liefern könne.« Bevor Brunetti nachhaken konnte, fuhr Claudio fort: »Es wäre zu riskant gewesen, den Kollegen weiter auszufragen; ich mußte mich mit dem begnügen, was er von sich aus preisgab.«
»Aber er hat dem Mann gesagt, daß er seine Diamanten nicht kaufen wolle?«
»Ja.«
»Und?«
»Und der wirkte überrascht, woraus mein Kollege schloß, daß er sehr wohl wußte, wie günstig sein Angebot war.«
»Warum hat er denn eigentlich abgelehnt?« fragte Brunetti.
Claudios Antwort ließ ein paar Sekunden auf sich warten. »Einige von uns handeln eben nicht mit Konfliktdiamanten oder solchen, die wir dafür halten: Es klebt zu viel Blut daran, so einfach ist das. Und beim Angebot dieses Afrikaners war mein Kollege ziemlich sicher, um was es sich handelte.«
»Und solche Ware wollte er nicht mal zu einem sensationell günstigen Preis?« fragte Brunetti.
Der alte Juwelier verneinte und setzte erklärend hinzu: »In unserer Branche haben wir auch ohne das ein gutes Auskommen. Da brauchen wir unser Gewissen nicht mit schmutzigen Geschäften zu belasten.«
»Und wie viele von Ihnen denken so?« forschte Brunetti.
»Ach«, seufzte Claudio, »nur sehr wenige.«
»Warum dann die Skrupel?«
»Das habe ich dir doch schon gesagt: Es klebt zu viel Blut daran. Ich kenne Händler, die solche Steine kaufen. Die rechtfertigen sich damit, daß es sie nichts anginge, woher die Ware stammt oder was mit dem Geld geschieht, das sie dafür bezahlen - wer den Waffen, die in der Regel dafür angeschafft werden, zum Opfer fällt. Die kaufen Diamanten, und damit basta.«
»Sie sehen das anders?«
»Ich hab dir schon mal gesagt, daß du dich nicht über mich lustig machen sollst!« entgegnete Claudio ungewohnt heftig. Brunetti hörte ihn tief Luft holen, bevor er weitersprach. »Und provoziere mich nicht. Ich bin ein alter Mann, der in Frieden leben möchte.«
»Ich glaube, das können Sie auch getrost«, versicherte Brunetti, der einsah, daß er den alten Herrn tatsächlich herausgefordert hatte, und es aufrichtig bedauerte. »Hat Ihr Kollege übrigens den Mann beschrieben, der ihm die Diamanten verkaufen wollte?«
»Nein. Er hat nur gesagt, daß es ein Afrikaner war.« Und bevor Brunetti sich dazu äußern konnte, fügte Claudio hinzu: »Ich weiß, ich weiß: Für uns sehen sie alle gleich aus.«
»Hat er erwähnt, in welcher Sprache sie miteinander verhandelt haben?« fragte Brunetti eingedenk dessen, daß der Kongo einst eine belgische, Angola dagegen eine portugiesische Kolonie gewesen war.
»Auf italienisch, was der Afrikaner offenbar ziemlich fließend sprach«, antwortete Claudio ohne Zögern.
»Ist Ihrem Kollegen ein Akzent aufgefallen?«
»Nein, aber wenn der Mann aus Afrika kam, dann wird er ja wohl einen Akzent gehabt haben, nicht wahr?«
»Ja, natürlich.« Brunetti beschloß, das Thema nicht weiter zu verfolgen, und fragte statt dessen: »Haben Sie eine Ahnung, an wen er sich gewandt haben könnte, nachdem er bei Ihrem Kollegen abgeblitzt ist? Übrigens, wann war das genau?«
»Vorige Woche irgendwann. Laß mich nachdenken«, antwortete Claudio und verstummte. Brunetti wartete, während der alte Herr sein Gedächtnis durchforschte. »Letzten Freitag«, meldete der Juwelier sich zurück. Und nach einer weiteren Pause: »Zwei Tage später wurde dein vucumprà ermordet, nicht wahr?«
»Ja. Vielleicht blieb ihm also gar nicht genug Zeit, noch einen anderen Händler aufzusuchen. Wenn aber doch: Wer käme da in
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