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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Tassini gesagt hatte: wie ungeschickt er gewesen sei und daß er nicht zum Glasbläser getaugt habe. Was ihn aber womöglich nicht davon abgehalten hatte, es trotzdem zu versuchen.
    »Vielleicht war's nur so eine Spielerei, um sich wach zu halten«, mutmaßte Bocchese.
    »Er war ein Leser«, erklärte Brunetti. Und handelte sich damit ein paar scheele Blicke ein.
    Vianello trank seine Tasse aus und schenkte sich aus dem Kännchen nach. »Das Glasmachen erlernt man jedenfalls nicht, indem man allein nachts in einer Werkstatt rumprobiert.«
    Brunetti sah auf die Uhr; es war nach neun. Er holte sein telefonino heraus und tippte die Klinikdurchwahl von Dottor Rizzardi ein. Der Gerichtsmediziner war gleich selbst am Apparat.
    »Ich bin's, Ettore. Ich rufe von Murano an. Ja, wir haben einen Toten.« Brunetti hörte eine Weile zu, dann sagte er: »Venturi.« Es folgte eine längere Pause auf beiden Seiten, die Brunetti mit den Worten beendete: »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das übernehmen könntest.«
    Vianello und Bocchese glaubten ein schwaches Echo von Rizzardis Stimme zu vernehmen, dann erklang wieder klar und deutlich Brunettis Stimme neben ihnen: »In einer Glasbläserei. Er lag vor einem der Schmelzöfen.« Wieder das Raunen aus dem telefonino, dann Brunettis Antwort: »Das weiß ich nicht. Möglicherweise die ganze Nacht.«
    Um sich abzulenken von dem Bild, das seine eigenen Worte gerade wieder heraufbeschworen hatten, ließ Brunetti den Blick über die Poster hinter der Theke schweifen. Eins zeigte die Amalfiküste: eine steile Klippenlandschaft, gesprenkelt mit bunt verstreuten Häusern, die jeden erdenklichen Halt nutzten; eigenwillige Farbenspiele, ohne Rücksicht auf Harmonie. Das Meer glitzerte in der Sonne, und weiße Yachten segelten immer noch schöneren, dem Auge des Betrachters entzogenen Stränden entgegen.
    »Danke, Ettore«, sagte Brunetti und legte auf. Er erhob sich, warf einen Zehn-Euro-Schein auf die Theke, und die drei verließen die Bar.
    Als sie die Brücke überquerten, legte das Ambulanzboot gerade ab. Oben in der Glashütte standen drei oder vier Arbeiter rauchend vor dem Tor und unterhielten sich leise. Von De Cal keine Spur. In der Werkstatt packten die Kriminaltechniker ihre Ausrüstung zusammen. An der Wand lehnte eine lange Eisenstange, die mit grauem Pulver eingestäubt war. Der Fußboden wirkte sehr sauber: Hatte Tassini ihn vor seinem Tod noch gefegt?
    Bocchese besprach sich mit zwei seiner Männer, dann kam er zu Brunetti und Vianello zurück. »Auf der Stange, da sind ein paar brauchbare Fingerspuren«, sagte er, »und 'ne Menge verwischte Abdrücke.« Nach einer kleinen Pause ergänzte er: »Das heißt, unser Mann könnte darüber gestürzt sein.«
    »Sonst noch Spuren?« erkundigte sich Brunetti.
    Bevor Bocchese antworten konnte, zog einer der Kriminaltechniker etwas aus seiner Tasche und ging damit zu der Stange. Was er in der Hand hielt, entpuppte sich, auseinandergefaltet, als einer dieser dünnen Plastikschläuche, in denen vorgebackene Baguettes abgepackt waren, nur schien dieser hier wesentlich länger. Der Mann streifte ihn über die Eisenstange, zog ihn bis zum Boden hinunter, holte dann eine Rolle Kreppband aus seiner Tasche und klebte das offene Ende zu. Als er noch aus je einem Streifen Kreppband zwei Griffe zusammengedreht und oben und unten angebracht hatte, sah das Ganze aus wie ein Futteral, das von zwei Männern getragen werden konnte, ohne den Bereich mit den Fingerabdrücken zu berühren.
    »Kann nicht schaden, wenn ihr noch mal nachkontrolliert«, sagte Bocchese, und Brunetti dachte an die Strieme auf Tassinis Stirn.
    Sobald der Mann mit dem Klebeband außer Hörweite war, bat Brunetti: »Haltet mich auf dem laufenden, ja?«
    Bocchese antwortete mit einem Grummeln und einer ausladenden Handbewegung; dann verließen er und sein Team im Gänsemarsch die Halle. Wenige Minuten später kamen zwei von ihnen zurück und transportierten die Eisenstange ab.
    »Na, dann schauen wir mal, ob wir noch was finden«, sagte Brunetti zu Vianello. Da die Spurensicherung Fußboden und vertikale Flächen sicher gründlich unter die Lupe genommen hatte, steuerte Brunetti gleich auf einen Tisch mit Glasarbeiten am hinteren Ende der Werkstatt zu.
    Vianello folgte ihm, und beide blickten stumm auf eine Sammlung Delphine und den unsäglichen Torero in schwarzer Kniebundhose und rotem Wams.
    »De gustibus«, bemerkte Vianello trocken, während er die Kollektion abschritt. Hinter

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