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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hörte einfach nicht zu. Er war fest davon überzeugt, daß wir alle vergiftet würden, und davon ließ er sich nicht abbringen, ganz gleich, was man dagegen vorbrachte.«
    Grassi hielt einen Moment inne, und als er weitersprach, klang seine Stimme traurig bewegt. »Er mußte ja auch an so was glauben. Schon wegen seiner kleinen Tochter.« Der maestro schüttelte den Kopf; ob über das Schicksal des Kindes oder über die Schwachheit der Menschen, wagte Brunetti nicht zu entscheiden. Jedenfalls hatte Grassi ganz vorwurfsfrei, ja fast warmherzig von Tassini gesprochen; mit einer Zuneigung, wie man sie für jemanden hegt, der es fertigbringt, immer alles verkehrt zu machen, und dem man doch nie böse sein kann.
    »Ich glaube, Ihre Leute sind da«, sagte Grassi.
    Brunetti hob fragend den Kopf.
    »Ich höre ein Boot«, erklärte der maestro, »aber ich kenne den Motor nicht. Und dem Tempo nach kommt es aus der Stadt.« Er fischte eine Handvoll Münzen aus der Tasche und legte sie auf die Theke. »Sie sind eingeladen.« Brunetti bedankte sich, und gemeinsam verließen sie die Bar.
    Als sie zum Kanal hinunterkamen, zeigte sich, daß Grassi richtig kombiniert hatte: Die Polizeibarkasse erreichte soeben den ACTV-Anleger. An Deck stand Bocchese mit seinem Team.

15
    B runetti winkte den Ankommenden von seinem Ufer aus zu und ging ihnen über die Brücke entgegen. Außer Bocchese waren zwei Fotografen und zwei Kriminaltechniker an Bord, alle mit der üblichen schweren Ausrüstung, die die Männer gerade zügig an Land schleppten.
    Brunetti übernahm die Vorstellung und erklärte Bocchese, daß Grassi einer der maestri aus der Glasbläserei sei, wo man den Toten gefunden habe. Bocchese und Grassi schüttelten einander die Hand, dann wandte Bocchese sich um und sagte etwas zu einem seiner Kollegen, der mit einer lässigen Handbewegung antwortete. Mittlerweile türmten sich Kisten und Taschen am Ufer. Brunetti wartete, bis alles entladen war; dann lotste er das Team über den unbefestigten Uferweg und quer durch das unbebaute Gelände auf die schmale, betonierte Straße, die direkt zur Fornace De Cal führte. Vor der Schmelzwerkstatt standen zu seiner Überraschung zwei Männer, einer in Polizeiuniform - Brunetti erkannte Lazzari vom Kommissariat Murano - und De Cal, der lauthals redete und gestikulierte.
    Kaum daß der Alte Brunetti entdeckte, ging er auf ihn los und rief aufgebracht: »Was zum Teufel ist nun wieder in Sie gefahren? Erst holen Sie diesen Scheißkerl aus dem Gefängnis, und jetzt komme ich nicht mal mehr in meinen eigenen Betrieb.«
    Da er De Cal von allen Anwesenden am besten kannte, trat Grassi vor und sagte mit Blick auf die Kriminaltechniker, die sich eben in ihre Einweganzüge zwängten: »Ich glaube, Signore, die Spurensicherung will erst mal allein reingehen.«
    »Vergessen Sie nicht, für wen Sie arbeiten, Grassi«, fauchte De Cal in heller Wut. »Für mich! Nicht für die Polizei. Hier bestimme ich und keine Spurensicherung.« Dabei brachte er sein Gesicht ganz nahe an das von Grassi. Seine Halsmuskeln waren vor Erregung angeschwollen. »Haben Sie das kapiert?«
    Brunetti trat neben den maestro. »Ihre Werkstatt ist ein Tatort, Signor De Cal«, sagte er und sah aus dem Augenwinkel, wie erleichtert Lazzari schien, weil ein anderer die Initiative ergriff. »Die Spurensicherung wird ein paar Stunden hier zu tun haben. Danach geben wir den Tatort frei, und Ihre Männer können wieder an die Arbeit gehen.«
    De Cal rückte ihm so plötzlich auf den Leib, daß Brunetti einen Schritt zurückweichen mußte. »Ich kann mir aber keinen stundenlangen Ausfall leisten!« Der Alte nahm offenbar zum erstenmal wirklich Notiz von den Technikern samt ihrer Ausrüstung. »Diese Idioten werden bestimmt den ganzen Tag hier rumfuhrwerken. Wie sollen meine Männer da ihre Arbeit machen?«
    »Wenn es Ihnen lieber ist, Signore«, versetzte Brunetti mit aller Autorität in der Stimme, die ihm zu Gebote stand, »können wir uns auch eine richterliche Anordnung besorgen und das ganze Gelände für ein, zwei Wochen sperren lassen.« Er lächelte. Grassi hatte offenbar die Gelegenheit genutzt und sich verdrückt.
    De Cal klappte den Mund auf und wieder zu, bevor er grummelnd den Rückzug antrat. Brunetti hörte ihn ein paarmal »Scheißkerl« murmeln und Schlimmeres, zog es jedoch vor, den Alten zu ignorieren.
    Die Kriminaltechniker, die ihre Ausrüstung während dieser Szene abgestellt hatten, nahmen Kisten und Taschen wieder auf und

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