Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
zu glauben«, bemerkte Brunetti.
»Tue ich auch nicht. Ich habe die Wissenschaftsberichte und die Analysen gelesen, Commissario. Die Gefahr, ich wiederhole es, lauert dort drüben.« Mit einer halben Drehung wies er abermals nach Nordwesten.
»Einer meiner Inspektoren glaubt, die werden uns umbringen mit ihren Giftschleudern.«
»Er hat recht!« sagte Fasano mit Nachdruck.
Aber er äußerte sich nicht weiter, wofür Brunetti fast dankbar war.
Fasano stieß sich vom Schreibtisch ab. »Ich fürchte, ich muß wieder an die Arbeit«, sagte er.
Brunetti nahm an, er würde um den Schreibtisch herumgehen und dahinter Platz nehmen, aber Fasano ergriff die Vase und ging zur Tür. »Ich will noch ein paar Unebenheiten abschleifen.« Sein Ton machte unmißverständlich klar, daß Brunettis Begleitung nicht erwünscht sei.
Der Commissario dankte für die Zeit, die er ihm geopfert habe, verließ die Werkstatt und machte sich auf den Weg zum Anleger.
24
B runetti fuhr mit der Linie 42 bis Fondamenta Nuove, und weil es von dort nicht mehr weit war, ging er zu Fuß zur Fondamenta della Misericordia. In einer Bar, in der er einen Kaffee trank und sich nach Adil-San erkundigte, bekam er nicht nur eine Wegbeschreibung, sondern erfuhr auch, daß es sich um ehrliche und fleißige Leute handele, deren Sohn kürzlich ein Mädchen aus Dänemark geheiratet habe, eine Kommilitonin von der Universität, aber die Ehe würde wohl nicht halten. Nein, nicht wegen des Mädchens, selbst wenn es eine Ausländerin war, sondern weil Roberto ein donnaiolo sei, und die sind eben unverbesserlich, nicht wahr, hören niemals auf, den Frauen nachzusteigen. Brunetti nickte zustimmend und zum Dank für diese Informationen, verließ die Bar, bog an der nächsten Ecke rechts ab und ging am Kanal entlang, bis er auf der gegenüberliegenden Seite das Schild sah. Über die Brücke und drüben wieder ein Stück zurück, und dann stand er im Büro der Klempnerei, wo eine junge Frau hinter einem Computer saß.
Sie sah dem Eintretenden lächelnd entgegen und erkundigte sich nach seinen Wünschen. Ihr Mund mochte etwas zu groß sein oder ihr Lippenstift zu dunkel; trotzdem war sie reizend, und Brunetti fühlte sich durch ihre zuvorkommende Art geschmeichelt. »Ich hätte gern den Geschäftsführer gesprochen«, sagte er.
»Geht es um einen Kostenvoranschlag, Signore?« Ihr Lächeln wurde noch herzlicher, und Brunetti gewann den Eindruck, daß ihr Mund eigentlich genau richtig sei.
»Nein, ich möchte ihn wegen eines Kunden befragen«, sagte er und zückte seinen Dienstausweis.
Die junge Frau blickte von dem Foto auf ihn und zurück; dann gestand sie: »Ich hab noch nie so einen gesehen. Das ist wie im Fernsehen, nicht?«
»Ein bißchen vielleicht. Nur nicht so aufregend«, sagte Brunetti.
Sie warf einen letzten Blick auf den Ausweis, bevor sie ihn zurückgab. »Ich geh und sag ihm Bescheid, wenn's recht ist, Commissario.« Als sie aufstand, sah er, daß sie in der Taille fülliger war, als er erwartet hätte. Gleichwohl bot sie einen angenehmen Anblick, wie sie den Raum durchquerte und eine Tür aufmachte, ohne anzuklopfen.
Im Nu war sie zurück und sagte: »Signor Repeta läßt bitten, Commissario.«
Als Brunetti eintrat, erhob sich ein Mann seines Alters hinter dem Schreibtisch und kam ihm entgegen. Er hatte einen großen Mund, wie das Mädchen im Vorzimmer, und auch ihre dunklen Augen.
»Ihre Tochter?« fragte Brunetti und deutete zur Tür, die jetzt geschlossen war.
Der Mann lächelte. »Ist die Ähnlichkeit so groß?« fragte er. Wie bei ihr nahm sein ganzes Gesicht einen weichen Ausdruck an, wenn er lächelte, und er war ebenso stämmig gebaut.
»Bei Mund und Augen, ja«, sagte Brunetti.
»›Signor Repeta‹, so nennt sie mich immer im Büro«, erklärte der Mann schmunzelnd. Er trug eine schwarze Wollhose und ein rosa Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen aufgekrempelt waren und die muskulösen Unterarme eines Mannes entblößten, der es gewohnt ist, mit den Händen zu arbeiten. Er bot Brunetti einen Stuhl an, zog sich hinter seinen Schreibtisch zurück und fragte: »Was kann ich für Sie tun, Commissario?«
»Ich wüßte gern, welche Arbeiten Sie für die Vetreria Regini verrichten«, sagte Brunetti.
Eine Frage, die Repeta augenscheinlich verwirrte. Nach einer Pause antwortete er zögernd: »Was ich für alle vetrerie mache, mit denen ich einen Vertrag habe.«
»Und was gehört da alles dazu?«
»Ach, natürlich! Das können Sie ja
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