Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
nicht wissen. Entschuldigen Sie.« Repeta fuhr sich mit der Rechten durchs graumelierte Haar, das sich stachelig aufrichtete. »Also wir warten die Wasseranlagen und entsorgen die Abfälle aus der Schleiferei.«
Brunetti lächelte verlegen. »Was hat sich ein Laie wie ich darunter vorzustellen, Signore?«
Wie viele Männer, die in ihrer Arbeit aufgehen, rang Repeta nach Worten, um sich verständlich zu machen. »Also der Wartungskram dient hauptsächlich dazu, daß die Leute in der Werkstatt problemlos das Wasser an- und abdrehen und in der Schleiferei den Wasserdruck nach Bedarf einstellen können.«
»Hört sich nicht sehr kompliziert an«, bemerkte Brunetti, aber es klang wie ein Kompliment und so, als teilten sie beide die Freude an einfachen Dingen.
»Nein«, räumte Repeta lächelnd ein, »das ist überhaupt nicht kompliziert. Die Tanks dagegen schon.«
»Und warum?«
»Wir müssen den Wasserfluß von einem zum anderen so drosseln und dosieren, daß die Sedimentation gewährleistet ist.« Repeta fing Brunettis verständnislosen Blick auf und griff nach einem Brief, der auf dem Schreibtisch lag. Er überflog das Blatt, drehte es um und nahm einen Bleistift zur Hand. »Hier, schauen Sie«, sagte er, und Brunetti rückte mit seinem Stuhl neben den Schreibtisch.
Rasch, mit der Leichtigkeit des geübten Fachmanns, warf Repeta vier gleich große Rechtecke aufs Papier. Eine Linie, die vermutlich eine Rohrleitung darstellen sollte, führte von einem Punkt am oberen Rand des ersten zum nächsten und weiter zum dritten; hinter dem letzten fiel sie nach unten ab und verschwand aus dem Bild.
Repeta zeigte auf das erste Rechteck und sagte: »Sehen Sie, das Wasser von der Schleifbank fließt aus der molatura in den ersten Tank und nimmt alle Rückstände mit. Die schweren Partikel setzen sich am Boden ab, während das Wasser zum nächsten Tank weitergeleitet wird, wo wiederum Reste ausgeschieden und abgelagert werden. Und so weiter und so weiter ...« Repeta tippte mit der Bleistiftspitze auf das dritte und vierte Rechteck.
»Am Ende haben sich alle Restbestände am Grund der Tanks festgesetzt, und das Wasser, das aus dem letzten fließt« - hier führte er den Bleistift an der diagonalen Linie entlang, die am Rand des Blattes endete -, »wird in die Kanalisation geleitet.«
»Sauberes Wasser?« fragte Brunetti.
»So ziemlich.«
Brunetti betrachtete die Zeichnung noch einen Moment lang, dann fragte er: »Und die Ablagerungen in den Tanks? Was geschieht damit?«
»Das ist der zweite Teil unseres Jobs«, sagte Repeta, schob die Zeichnung beiseite und wandte sich wieder Brunetti zu. »Die vetrerie verständigen uns, wenn sie die Tanks geleert haben, und dann fahren wir raus und holen das Sediment ab.«
»Und?«
»Und liefern es - also, Sie müssen sich das vorstellen wie so eine Art mehrschichtigen Schlamm -, den liefern wir bei der Firma ab, die ihn entsorgt.«
»Wie machen die das?«
»Indem sie die Masse verflüssigen, die Glaspartikel rausschmelzen und die Mineralien herausfiltern.«
»Was für Mineralien sind denn da drin?« fragte Brunetti. Jetzt war sein Interesse geweckt.
»So viele, wie man zur Glasherstellung braucht«, antwortete Repeta. »Kadmium, Mangan, Arsen, Kalium.«
»Und wie gelangen die ins Wasser?«
»Weil sie im Glas enthalten sind. Beim Schleifen werden sie dann vom Kühlwasser weggespült und landen in den Tanks.« Repeta zog die Zeichnung wieder heran, deutete mit dem Bleistift auf das erste Rechteck und fuhr dann die ganze Reihe entlang. »Das Wasser schützt außerdem die Arbeiter an der Schleifbank davor, die pulverisierten Rückstände einzuatmen und in die Lunge zu kriegen.«
»Wie viele Manufakturen haben Sie unter Vertrag?«
»Über dreißig, schätze ich, aber da müßte ich in der Kundenkartei nachsehen.«
»Und wie oft machen Sie diese Sedimenttransporte?«
»Das hängt davon ab, wieviel Arbeit die Werkstätten haben. Mal alle drei Monate, mal alle sechs. Wir fahren raus, wann immer man uns anfordert.«
»Heißt das, noch am selben Tag?« fragte Brunetti, der unwillkürlich an eine verstopfte Küchenspüle denken mußte, die überläuft.
»Nein!« Repeta lachte. »Normalerweise buchen die vetrerie eine Woche im voraus. Auf die Weise können wir fünf oder sechs Transporte pro Tag arrangieren.« Repeta vergewisserte sich mit einem Blick, daß Brunetti ihm folgen konnte, und fuhr fort: »Das spart Geld, denn die Grundgebühr bleibt gleich, egal, wie viele Fuhren wir
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