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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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fort: »Wenn er einen ernsthaften Schlag abbekommen hätte, wäre das Nasenbein gebrochen oder der Knorpel total verschoben. Ihm ist nicht mehr passiert, als wenn er aus nächster Nähe gegen eine Tür geprallt wäre.«
    »Und Dottor Pedrolli?« forschte Brunetti weiter.
    Sie schüttelte den Kopf. »Die Neurologie ist, wie gesagt, nicht mein Fachgebiet. Darum habe ich ja Dottor Damasco hinzugezogen.«
    Über ihre Schulter sah Brunetti den Hauptmann herankommen. Marvilli, der sichtlich verärgert war, weil er sich verlaufen hatte, trat an den Tresen und bestellte einen Kaffee.
    Dottoressa Cardinale ergriff ihre Tasche mit der Linken, streckte Brunetti die Rechte entgegen und beugte sich dann vor, um auch Vianello die Hand zu reichen. »Nochmals danke für den Kaffee, Commissario.« Dann streckte sie lächelnd Marvilli die Hand entgegen. Der zögerte nur einen winzigen Moment, bevor er kapitulierte.
    Die Ärztin ging hinaus und spähte vom Flur her in die Bar zurück. Sie wartete, bis Marvilli sich nach ihr umdrehte. »Tolle Stiefel, Capitano«, rief sie ihm mit strahlendem Lächeln zu, machte kehrt und war im Nu verschwunden.
    Brunetti hielt den Blick auf seinen Kaffee gesenkt, trank aus und stellte bedächtig die Tasse ab. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß sie die einzigen Gäste in der Cafeteria waren, wandte er sich an Marvilli. »Glauben Sie, Sie könnten mir ein bißchen mehr über diesen Einsatz verraten, Capitano?«
    Marvilli nahm einen Schluck und stellte die Tasse auf den Untersatz, bevor er antwortete. »Wie ich Ihnen bereits sagte, Commissario, laufen die Ermittlungen seit geraumer Zeit.«
    »Wie lange genau?« hakte Brunetti nach.
    »Auch das habe ich Ihnen schon gesagt: seit fast zwei Jahren.«
    Vianello setzte seine Tasse vielleicht ein wenig zu scheppernd ab und bestellte beim Barmann noch drei Kaffee.
    »Ja, Capitano, ich weiß«, antwortete Brunetti. »Aber mich interessiert eigentlich, was die Ermittlungen ausgelöst hat, insbesondere die hier vor Ort.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen darüber Auskunft geben darf, Commissario. Aber soviel kann ich immerhin sagen, daß der Einsatz in Venedig Teil einer Großrazzia war, die zeitgleich in mehreren Orten stattfand.« Marvilli schob seine Tasse beiseite und setzte abschließend hinzu: »Ich weiß nicht, ob ich zu weiteren Angaben befugt bin.«
    Brunetti verkniff sich den Vorwurf, daß das Einsatzkommando in Venedig einen Zivilisten krankenhausreif geprügelt hatte. Statt dessen versetzte er seelenruhig: »Ich dagegen bin sehr wohl befugt, Sie - oder denjenigen Ihrer Männer, der Dottor Pedrolli niedergeschlagen hat - festzunehmen: und zwar wegen tätlichen Angriffs.« Und mit einem geschmeidigen Lächeln fuhr er fort: »Was ich natürlich nicht tun werde. Ich erwähne es nur, um Ihnen klarzumachen, daß wir uns nicht zum blinden Erfüllungsgehilfen unserer Befugnisse degradieren sollten.« Er spielte noch mit dem Gedanken, dem Hauptmann zu unterstellen, daß er sich mit seinen schmucken Reitstiefeln fälschlich als Kavallerieoffizier ausgab, doch die Vernunft behielt die Oberhand.
    Der Commissario riß ein Tütchen Zucker auf und schüttete ihn in den frischen Kaffee. Während er, die Augen auf den Löffel geheftet, sachte umrührte, fuhr er in lockerem Plauderton fort: »In Ermangelung jeglicher Informationen über Ihren Einsatz kann ich nicht ermessen, ob Ihre Männer das Recht hatten, hier in Venedig aktiv zu werden, Capitano. Nun, wie dem auch sei: Meine ganze Sorge gilt in jedem Fall der Sicherheit unserer Bevölkerung.« Er blickte auf. »Ich bitte um nähere Angaben.«
    Mit müder Gebärde griff Marvilli nach seinem zweiten Kaffee und schob die leere Tasse von sich fort. Er tat dies so heftig, daß Tasse und Untersatz über die hintere Thekenkante rutschten und klappernd, aber ohne zu Bruch zu gehen, ins Spülbecken segelten. Marvilli entschuldigte sich mechanisch beim Barmann, der achselzuckend Tasse und Unterteller aus dem Wasser fischte.
    Der Hauptmann wandte sich wieder Brunetti zu und fragte: »Und was, wenn Sie nur bluffen, Commissario?«
    »Wenn Sie mir so kommen, Capitano«, erwiderte Brunetti, »dann muß ich Beschwerde einlegen gegen das unverhältnismäßig gewaltsame Vorgehen Ihrer Männer und eine interne Ermittlung beantragen.« Er stellte seine Tasse ab. »Solange kein richterlicher Beschluß vorliegt, der Ihr Eindringen in Dottor Pedrollis Haus rechtfertigt, haben sich Ihre Männer eines widerrechtlichen

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